Kant: AA X, Briefwechsel 1773 , Seite 140

     
           
 

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  01 Geschenk seyn. ich bin mir zur Ehre mit der vollkommensten Hochschätzung      
  02 und Ergebenheit      
           
  03   Ew. HochEdelgeb.      
  04 Revall am 27 sten Mai. gehorsahmster Diener.      
  05 1773. Johann Friederich Riesemann.      
           
           
    76. [ Handschriftliche Notiz 1 zum Brief: AA 14, Seite 003 ]
[ Handschriftliche Notiz 4671 zum Brief: AA 17, Seite 635 ]
   
  07 Von Iohann Heinrich Kant.      
           
  08 3. Iuli 1773.      
           
  09 Liebster Bruder!      
           
  10 Wird es nicht Zeit seyn, daß wir uns einander wieder nähern?      
  11 Es sind Iahre verfloßen, seitdem ich nicht an dich geschrieben, wie      
  12 strafbar bin ich? ich erröthe über meine Nachläßigkeit. - Allein      
  13 länger kan ich eine solche Trennung unter uns nicht fortdauern      
  14 lassen; wir sind Brüder, die Natur hat Liebe, und Vertraulichk[eit] uns      
  15 zur Pflicht gemacht, ich mache ein Anspruch auf dein Hertz, weil das      
  16 meinige dir gantz ergeben ist. Ietzt bin ich recht begierig auf eine      
  17 detaillirte Nachricht von deiner gegenwärtigen gantzen Situation, ich      
  18 möchte gerne von dir so viel wißen, als ein halber Bogen nur faßen      
  19 kan. Warum soll den dein Bruder von deinen gelehrten Arbeiten      
  20 nicht eher etwas erfahren, als bis sie ein jeder im Buchladen haben      
  21 kan. Hintz hat mir von verschiedenen Entwürfen, die du gemacht      
  22 hast Nachricht gegeben, diesem, und allem was mich gewis interessiren      
  23 wird weil es dich angeth: sehe ich auf den nächsten PostTag      
  24 mit Verlangen entgegen.      
           
  25 Meine gegenwärtige Lage ist seit den 15 Iahren die ich in Curland      
  26 verlebt noch immer dieselbe.      
           
  27 Nicht die geringste Aussicht zu einer gründlichen Versorgung! Die      
  28 LandesKinder haben allezeit bey Besetzung erledigter Ämter den Vorzug,      
  29 und der Auslander, der mit Einheimischen concurriret, wird mehrentheils      
  30 nachstehen müßen, weil etwanige Verdienste und Geschicklichkeit      
  31 gegen Familien Unterstützungen nicht aufkommen können. Ietzt bin      
  32 ich in meiner 4ten Condition bey Hrn. v: Sass in Scheden. Ein      
  33 vortrefliches Haus, wo ich so glücklich bin, als man es beym Schul      
  34 Ioche nur seyn kan. Soll denn das aber immer so fortgehen? soll ich      
  35 denn mein Leben in dieser verächtlichen Carriêre beschließen? O so      
           
     

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