Kant: AA X, Briefwechsel 1773 , Seite 145

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 verursachen so kan ich doch beynahe mit Gewisheit eine      
  02 kurze Zeit nach Ostern dasselbe versprechen.      
           
  03 Ihren Versuch in der Moralphilosophie bin ich begierig erscheinen      
  04 zu sehen. Ich wünschte aber doch daß Sie den in der höchsten abstraction      
  05 der speculativen Vernunft so wichtigen und in der Anwendung      
  06 auf das practische so leeren Begrif der realitaet darin nicht      
  07 geltend machen möchten. Denn der Begrif ist transscendental die      
  08 oberste praktische Elemente aber sind Lust und Unlust welche empirisch      
  09 sind ihr Gegenstand mag nun erkannt werden woher er wolle. Es      
  10 kan aber ein bloßer reiner Verstandesbegrif die Gesetze oder Vorschriften      
  11 desjenigen was lediglich sinnlich ist nicht angeben weil er in      
  12 Ansehung dieses vollig unbestimmt ist. Der oberste Grund der      
  13 Moralität muß nicht blos auf das Wohlgefallen schließen lassen er mu      
  14 selbst im höchsten Grade wohlgefallen den er ist keine blos spekulative      
  15 Vorstellung sondern muß Bewegkraft haben und daher ob er zwar      
  16 intellectual ist so muß er doch eine gerade Beziehung auf die erste      
  17 Triebfedern des Willens haben. Ich werde froh seyn wenn ich meine      
  18 Transscendentalphilosophie werde zu Ende gebracht haben welche eigentlich      
  19 eine Critik der reinen Vernunft ist alsdenn gehe ich zur Metaphysik      
  20 die nur zwey Theile hat: die Methaphysik der Natur und die Metaph:      
  21 der Sitten wovon ich die letztere zuerst herausgeben werde und mich      
  22 darauf zum voraus freue.      
           
  23 Ich habe die recension der platnerschen anthropologie gelesen.      
  24 Ich hätte zwar nicht von selbst auf den recensenten gerathen ietzt      
  25 aber vergnügt mich der darinn hervorblickende Fortgang seiner Geschicklichkeit.      
  26 Ich lese in diesem Winter zum zweyten mal ein collegium      
  27 privatum der Anthropologie welches ich ietzt zu einer ordentlichen      
  28 academischen disciplin zu machen gedenke. Allein mein Plan ist gantz      
  29 anders. Die Absicht die ich habe ist durch dieselbe die Qvellen aller      
  30 Wissenschaften die der Sitten der Geschiklichkeit des Umganges der      
  31 Methode Menschen zu bilden u. zu regiren mithin alles Praktischen zu      
  32 eröfnen. Da suche ich alsdenn mehr Phänomena u. ihre Gesetze als      
  33 die erste Gründe der Möglichkeit der modification der menschlichen      
  34 Natur überhaupt. Daher die subtile u. in meinen Augen auf ewig      
  35 vergebliche Untersuchung über die Art wie die organe des Korper      
  36 mit den Gedanken in Verbindung stehen ganz wegfällt. Ich bin unabläßig      
  37 so bey der Beobachtung selbst im gemeinen Leben daß meine      
           
     

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