Kant: AA X, Briefwechsel 1784 , Seite 395

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
    234.      
  02 An Iohann Christoph Linck?      
           
  03 5. Aug. 1784.      
           
  04 Wenn der HE Oberste v. Brausen sich noch nicht einen Hofmeister      
  05 gewählt hat, so bitte ich, Ew: Wohlgeb: wollen ihn heute frühzeitig      
  06 davon benachrichtigen: daß ich ein dazu sehr geschicktes Subiect, nämlich      
  07 HEn Schütz, ausgefunden, der aber eben jetzt, um die ferien zu      
  08 nutzen, auf dem Lande ist, von da er etwa in 10 oder 12 Tagen zurück      
  09 kommen wird. Da dieser zugleich mein Auditor ist (der sich durch      
  10 Fleiß und Geschicklichkeit von vielen anderen unterscheidet) so wird mir      
  11 dieses ein Recht geben, erfoderlichen Falls auf die Art, wie er, den      
  12 Absichten des HEn Obersten gemäß, sein anvertrautes Geschäfte führen      
  13 solle, Einflus zu haben. Ich bin mit der vollkommensten Hochachtung      
           
  14   Ew. Wohlgeb.      
  15   gantz ergebenster Diener      
  16   I Kant      
  17   den 5 Aug. 1784.      
           
           
    235.      
  19 Von Christian Gottfried Schütz.      
           
  20 Jena d. 23. Aug. 1784.      
           
  21 Ihr Schreiben, Verehrungswürdigster Herr Professor, hat mir unaussprechlich      
  22 viel Freude, aber auch manche unangenehme Bewegung      
  23 gemacht. Es betrübte mich, daß die Kälte womit man Ihre erhabnen      
  24 Bemühungen von verschiednen Seiten her aufgenommen und der Misverstand      
  25 einiger Ihrer wichtigsten Grundsätze, Sie vermocht hatte wirklich      
  26 daran zu zweifeln, ob auch überhaupt unser Zeitalter Ihrer und      
  27 der vortrefflichsten Arbeit Ihres Geistes nicht ganz unwürdig sey. Es      
  28 betrübte mich aber auch, daß Sie, den ich als meinen Lehrer verehre,      
  29 dem ich an Talenten, Kenntnissen und Verdiensten unendlich weit nachstehe,      
  30 mir Prädicate geben, in denen ich dieses Verhältniß ganz verkennen      
  31 müßte, wenn mich nicht meine Selbstkenntniß eines andern      
  32 überführte. Ich ersuche Sie also inständigst, da ich Hoffnung habe      
  33 von Ihnen mit mehrern Briefen beehret zu werden, mich der Verlegenheit      
  34 zu überheben, in die ich mich durch das Übermaß von Gefälligkeit      
  35 im Ausdruck in Ihrem Schreiben gesetzt sehe, und mit mir wie      
  36 mit einem andern Ihrer hoffnungsvollen Schüler, oder wie Sokrates      
           
     

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