Kant: AA XII, Briefwechsel 1795 , Seite 029

     
           
 

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  01 soll. Hier ist es, wo ich mir Ihre Hülfe, Ihre heilsamen Rathschläge      
  02 erbitte. Was wünschten Sie in einem solchen Commentar zu finden?      
  03 Wie nahe oder entfernt steht nach Ihrem Erkenntnisse der Stoicismus      
  04 überhaupt, und besonders der Stoicismus des Seneca von dem, durch      
  05 Sie entdeckten und aufgeschlossenen Heiligthume der reinen practischen      
  06 Vernunft? Vor welchen Klippen und Abwegen habe ich mich bey      
  07 dieser Arbeit in Acht zu nehmen? Leiste ich was Sie wünschen und      
  08 was Noth thut, wenn ich zu meinem Commentar die Form von Tennemanns      
  09 System der Platonischen Philosophie entlehne? Über dieß alles      
  10 wünsche ich Ihre Stimme zu vernehmen, und das Bewußtseyn reiner      
  11 sittlicher Maximen bey meiner Arbeit sagt mir, daß ich dieselbe zu      
  12 hören verdiene. Bey mir sind Sie sicher vor allem öffentlichen Danke,      
  13 Nie werde ich ein so edles sittliches Gefühl zum Mittel und Deckmantel      
  14 einer unmännlichen Eitelkeit und Ruhmbegierde herabwürdigen;      
  15 aber in meinem Herzen soll das reine Gefühl der Achtung für Sie      
  16 wo möglich noch lebhafter werden mit welchem ich mich nenne      
           
  17   Ihren      
  18 Carolath bey Neustädtel        
  19 in Nieder= Schlesien den 12t Iulius Verehrer und Schüler      
  20 1795. Fessler.      
  21   Der Theol. Dr.      
           
           
    670.      
  23 Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter.      
           
  24 Berlin den 28t. Iuli 1795.      
           
  25 Theuerster HErr Professor,      
           
  26 Sie erhalten einliegende Bücher, aber ohne meine Schuld etwas      
  27 spät. Einer meiner Zuhörer der von hier nach Königsberg reiste hatte      
  28 es über sich genommen, sie Ihnen persönlich zu übergeben, er ist aber      
  29 in Cüstrin krank geworden und hat mir das Päckchen zurückgeschickt;      
  30 nun will HErr la Garde so gut sein und es besorgen.      
           
  31 HE. Eichel der vor ungefähr 14 Tagen aus Königsberg hier angekommen      
  32 ist hat mir die angenehme Nachricht mit gebracht, daß Sie      
  33 gesund sind und daß er Sie kurz vor seiner Abreise noch im Motherbyschen      
  34 Hause gesehn habe. Wie sehr wünschte ich, Sie selbst noch      
  35 einmal zu sehen; und vielleicht kann ich dis in 1 à Iahren möglich      
           
     

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