Kant: AA XII, Briefwechsel 1795 , Seite 047

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 und sie werden in den ersten Tagen der künftigen Woche von hier abgehen.      
  02 Es freut mich herzlich, daß ich Ihnen in irgend etwas dienen      
  03 kann, aber ich bitte Sie sehr, dis kleine Geschenk von mir anzunehmen;      
  04 Sie haben mir so viel Freundschaft erwiesen und ich bin Ihnen so      
  05 sehr verpflichtet, daß ich nichts eifriger wünsche, als Ihnen an wichtigern      
  06 Dingen zeigen zu können, wie sehr ich Sie liebe. Glauben Sie aber      
  07 ja nicht, daß ich ohne Ihren Brief Sie vergessen haben würde, die      
  08 Rüben waren schon längst für Sie bestellt und ich mache es mir zum      
  09 Gesetz Ihnen alle Iahr diesen kleinen Hausbedarf zu besorgen.      
           
  10 Für das Exemplar Ihrer Schrift: zum ewigen Frieden      
  11 was Sie HE. Nicolovius für mich gegeben haben, danke ich Ihnen      
  12 recht sehr; HE. Nicolovius ist hier noch nicht angekommen und ich      
  13 habe es also auch von ihm noch nicht erhalten können; aber unendlich      
  14 mehr danke ich Ihnen und wird Ihnen die Welt, redlicher, vortreflicher      
  15 Mann für diese Schrift danken. Ich habe den Innhalt derselben verschlungen,      
  16 Ihre Offenheit hat mich entzückt. - Aber leid thut es mir,      
  17 daß diese Schrift nur den Deutschen bekannt werden sollte, es finden      
  18 sich unter uns noch manche Hindernisse, ich will nicht sagen, die Wahrheit      
  19 zu erkennen, aber doch sie auszuüben; gewiß würde diese Schrift      
  20 bei jener großen Nation, die so manche Riesenschritte auf dem Wege      
  21 der politischen Aufklärung gemacht hat, viel Gutes stiften. Ich will      
  22 sie daher einem meiner Freunde, einem hofnungsvollen jungen Mann,      
  23 einem Kenner und Verehrer der kritischen Philosophie, der vor kurzen      
  24 von hier nach Paris gegangen ist, um dort kritische Philosophie zu      
  25 lehren schicken, damit er sie übersetze und dort bekannt mache; ich bin      
  26 überzeugt, die Schrift wird ihr Glück machen und Sie, edler Mann,      
  27 werden mächtig zum ewigen Frieden beitragen.      
           
  28 Daß Ihre Schrift hier nicht bei allen gleiche Aufnahme finden      
  29 würde, ließ sich zum voraus vermuthen. Herr Genz, der Übersetzer des      
  30 Mallet du Pan, der vielleicht fühlt, daß das was Sie von seinem Helden      
  31 gesagt haben, auch auf ihn angewandt werden könnte, hat eifrig dagegen      
  32 gesprochen und wird vielleicht dagegen schreiben; so wie er ehemals      
  33 gegen Ihren Aufsatz in der Berliner Monathsschrift schrieb. Als Gegner      
  34 möchte ferner gegen Sie ein gewisser Professor Meyer auftreten, der ehemals      
  35 Bibliothekar in Göttingen war, jetzt hier privatisiert und wahrscheinlich      
  36 von einer kleinen Pension lebt, die er, ich weiß nicht recht warum,      
  37 vom Hofe zieht, ein prätensionenvoller, seichter Mensch. Doch was      
           
     

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