Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 134

     
           
 

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    727.      
  02 Von Ludwig Heinrich Iakob.      
           
  03 Halle den 7 Dec. 1796      
           
  04 Ich habe schon längst, mein Hochgeschätzter und Verehrter Lehrer,      
  05 mit Sehnsucht Ihre Metaphysik des Rechts erwartet, die als fertig      
  06 angekündiget ist, wovon aber wahrscheinlich der Druck noch nicht      
  07 vollendet ist. Hr. Kiesewetter schreibt mir auch, daß Sie an Ihrer      
  08 Tugendlehre arbeiten, und so werden Sie bald im Beispiele die Anwendbarkeit      
  09 der allgemeinen Grundsätze zeigen, welche zu verdrehen      
  10 sich so viele angelegen seyn lassen. Ich habe Ihre feine u. humane      
  11 Ironie gegen Schlosser mit großem Vergnügen gelesen. Aber nichts      
  12 übertrift die Plumpheit, mit welcher er hierauf geantwortet hat. Ich      
  13 habe mir es in dem bald erscheinenden 4ten Stück der Annalen angelegen      
  14 seyn lassen, das Publikum insonderheit auf die Verschiedenheit      
  15 der Manier aufmerksam zu machen, mit welcher auf beiden Seiten      
  16 der Streit geführt ist. Hr. Schlosser zeigt sich als ächter Zelot u.      
  17 gibt der kritischen Philosophie alles Unheil Schuld, das in unsern      
  18 Tagen entstanden ist. Auch Hn. Schwab ist, wie ich glaube in den      
  19 Annalen gut begegnet, der in seiner Preisschrift die Sätze der Kritik      
  20 nach seiner dogmatischen Weise ganz verkehrt u. so seine Einbildungen      
  21 statt Ihrer Sätze kritisirt. In der That glaube ich, daß die Annalen      
  22 von der Seite, daß sie über die philosophische Litteratur eine kritische      
  23 kaltblütige Aufsicht führen, nicht ohne Verdienst sind. Ich wünschte      
  24 daher nur, daß das Publicum den Verleger etwas mehr aufmunterte.      
  25 Aber dies scheint nicht so, und ich zweifle daher, ob ich sie fortsetzen      
  26 werde, welches mir um der Sache selbst willen recht leid thut.      
           
  27 Ich schrieb Ihnen das letzte Mahl, daß man mir von Göttingen      
  28 aus Hofnung gemacht habe, daß ich dahin vocirt werden würde.      
  29 Wirklich ist dieses auch noch immer Heynens u. einiger andern      
  30 Männer von Einfluß Wunsch u. Wille. Allein es scheint, als ob      
  31 Hr. Feder für seinen Schwiegersohn den Verf. des Aenesidemus arbeitet.      
  32 So viel ist gewiß, daß Hr. Feder Ostern Göttingen verläßt.      
  33 Es sind aber viele der älteren Professoren bittere Feinde der kritischen      
  34 Philosophie, u. man hat sie in Hannover bey den Großen verdächtig      
  35 gemacht, so daß man dort Bedenken trägt, auf die Vorschläge, einen      
  36 Mann, der als ein Verbreiter u. Anhänger der krit. Philosophie bekannt      
           
     

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