Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 153

     
           
 

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    744.      
  02 Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter.      
           
  03 Berlin den 11ten Aprill 1797.      
           
  04 Verehrungswürdiger Freund,      
           
  05 Ich würde gewiß schon längst meine Pflicht erfüllt und an Sie      
  06 geschrieben haben, wenn ich Ihnen nur irgend etwas Beruhigendes      
  07 über meine Lage hätte schreiben können, da dis aber nicht der Fall      
  08 war, so hielt ich es für besser so lange zu schweigen, bis die Umstände      
  09 sich auf eine oder die [andere] Art geändert haben würden, denn ich      
  10 bin von Ihrem gütigen theilnehmenden Herzen überzeugt, daß es Sie      
  11 betrübt haben würde, mich nicht glücklich zu wissen. Erlauben Sie mir,      
  12 theuerster Mann, daß ich Ihnen ganz kurz die Veränderung meiner      
  13 Lage erzähle. Dem Minister Struensee mit dem die Prinzessin, meine      
  14 Schülerin, auch schon gesprochen hatte, übergab ich den Brief, den Sie      
  15 auf meine Bitte die Güte gehabt hatten an ihn zu schreiben und wofür      
  16 ich Ihnen meinen herzlichsten Dank sage. Er fand sich dadurch      
  17 sehr geschmeichelt, nahm mich sehr gütig auf, bat mich auch einmal      
  18 zum Mittagsessen und versprach mir fest, bei vorkommender schicklicher      
  19 Gelegenheit an mich zu denken, sagte mir aber auch zu gleicher Zeit,      
  20 daß ich es mir würde gefallen laßen müßen eine Zeitlang zu warten,      
  21 was ich auch von selbst wohl einsahe. Indessen war dieser Weg von      
  22 mir nur aus Noth gedrungen eingeschlagen worden und ich würde es      
  23 immer für ein großes Unglück gehalten haben, ein Amt zu bekommen,      
  24 was mir nur wenig oder gar keine Zeit zur Fortsetzung meiner wissenschaftlichen      
  25 Ausbildung gelaßen hätte; ich beschloß daher alles nur mögliche      
  26 noch zu versuchen, um vom Könige eine Pension zu erhalten, wodurch      
  27 ich in den Stand gesetzt würde, ruhig fortzustudiren und dis um      
  28 so mehr, weil ich es für Pflicht hielt, eine Forderung nicht so leicht      
  29 aufzugeben, wozu 9jährige Arbeiten und das ausdrückliche Versprechen      
  30 des Königs mir ein gegründetes Recht geben. Aber alle meine Versuche      
  31 waren vergeblich, die Vorschläge, die ich dem Könige zu meiner      
  32 Versorgung that, wurden durch das Cabinet jedesmal an Behörden      
  33 gewiesen, die mir durch ihre Antwort zu erkennen gaben, daß sie nicht      
  34 über mein Gesuch zu sprechen hätten und daß nothwendig ein Irrthum      
  35 im Cabinet vorgegangen sein müße, das Gesuch an sie zu schicken,      
  36 wenn anders der König mir dadurch nicht zu verstehen geben wollte,      
           
     

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