Kant: AA XII, Briefwechsel 1801 - 1802 , Seite 338

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 erlauben Sie mir mein Herr, Ihnen diesz Opfer der Bekentnisz darbringen      
  02 zu dürfen: dasz ich nicht aufhöre der Gottheid für das Glük      
  03 zu danken mit Ihnen gleichzeitig gelebt zu haben!      
         
           
         
  04 Es ist eins meiner angenehmsten Gefühle Ihnen melden zu dürfen,      
  05 dasz Ihr Critisches Werk auch bei dem Batavischen Volke nicht vergebens      
  06 erschien. Seit einiger Zeit, besonders aber seit dem Jahre 1796      
  07 erscheinen auch hier Männer auf der Bühne die mit stetem Andrange      
  08 Geisteskraft zeigen ihren Landgenossen nüzlich zu werden, wovon Sie      
  09 einen kurzen Abriss von dem Zustande der Critischen Philosophie in      
  10 der Batavischen Republik weiter unten finden werden.      
         
           
         
  11 Doch aber fehlt es uns auch hier keineswegs an solche, besonders      
  12 unter der Classe kirchlicher Dogmatisten die nach Gelegenheid haschen      
  13 in Ihrer Philosophie Sonnenflekke zu entdekken; Allein andere wieder      
  14 beweisen jenen dasz Unkunde und Miszverstand ihre Teleskope zusammenstelte,      
  15 und dan trit das Licht mit noch grösserem Glanze hervor wie      
  16 zuvor. Dieser Andrang erzeugt die wohlthätigste Rükwürkung, und      
  17 daher Verbreitung menschlicher Kentnisse. Ihre Critik gleicht einem      
  18 Felsen der im Ebenmaasse der auf ihn gefallenen Schläge funken verspreitet,      
  19 und darum wünscht mancher mit mir dieser wohlthatigen      
  20 Schläge viele      
         
           
         
  21 Obschon Ihre Philosophie hier viele Verehrer findet und auch bearbeitet      
  22 wird, so ist noch keines Ihrer Werke im Zusammenhange in      
  23 die Holländische Sprache übersezt. Doch in diesem Augenblikke erfahre      
  24 ich von sicherer Hand, dasz man uns bald mit einer Uebersetzung      
  25 Ihrer Critik der pract: Vernunft beschenken wird.      
         
           
         
  26 Schon längst entdekte ich meinen Wunsch und bath vergeblich      
  27 einen meiner Freunde um die Uebersetzung des mir so schätzbahren      
  28 Werks "Metaphysische Anfangsgründe der NaturWissenschaft"      
  29 ins holländische! Doch da der Wunsch meinen Landgenossen      
  30 diese reiche Qwelle der Vernunft zu eröfnen wieder mit erneuerter Kraft      
  31 in mir rege wird, so habe ich mich entschlossen selbst Hand an's Werk      
  32 zu legen.      
         
           
         
  33 Da es aber mit meinen Grundsätzen nicht zutrift dieses Ihr Werk      
  34 auf eigene Autoritaet in ein Niederdeutsches Gewand zu kleiden, ohne      
  35 zuvor Ihre Erlaubniss dazu erbeten und erhalten zu haben, noch auch      
  36 bei Ihnen angefragt ob Sie vieleicht noch ein oder das andere aufzuklären,      
  37 verändern, oder zu vermehren wünschen, so hoffe ich wird diesz      
           
     

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