Kant: AA XVII, Reflexionen zur Metaphysik. , Seite 250

     
           
 

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  01 zum Grunde liegen. Vielen Begriffen liegen andre Begriffe und vielen      
  02 Urtheilen andere Urtheile zum Grunde. Dem gemeinsten Begriffe einer      
  03 Uhr liegt der Begriff der Zeit, einer Bewegung, und der Ausmessung      
  04 zum Grunde. Wer das Wort Freundschaft nennt, stützet sich auf die      
  05 Begriffe der Liebe, der Redlichkeit etc. etc. Ebenso ist es mit den Urtheilen      
  06 bewandt. Wer da sagt, daß der Neid ein Laster sey, gründet sich ingeheim      
  07 auf viele verborgene Urtheile: daß die Nächstenliebe eine Pflicht      
  08 sey, daß dasjenige, was einer Pflicht entgegen ist, ein Laster sey, daß der      
  09 Neid eine Ungunst und der Liebe entgegen sey etc. etc. Man kan die Grundbegriffe      
  10 notiones fundamentales, die Grundurtheile judicia fundamentalia      
  11 nennen. Diejenige Grundbegriffe, die sich nicht wiederum andere voraussetzen,      
  12 heißen notiones primitivae (erste Grundbegriffe) und die      
  13 Urtheile von solcher Art judicia primitiva (erste Grundurtheile) Es kan      
  14 aber etwas als ein Erstes entweder schlechthin oder beziehungsweise auf      
  15 etwas anderm angesehen werden. Es ist etwas eine cognitio absolute      
  16 primitiva, in so ferne ihr überhaupt gar keine andre zum grunde liegt;      
  17 sie ist aber respective primitiva, in so ferne es einer gewißen vernünftigen      
  18 Absicht nicht ge entweder nicht in den Kräften eines Subjekts steht, ihren      
  19 Grund zu erkennen, oder einer gewißen vernünftigen Absicht nicht gemäß      
  20 ist. Dem Begriffe des guten und bösen überein liegt vielerley zum Grunde,      
  21 welches auch die Weltweise klar erkennen, aber der gemeine Mann kan      
  22 sicherlich so weit in seine Begriffe nicht eindringen, und vor ihn sind es      
  23 notiones primitivae. Eben so ist es in dem gemeinen Erkentniße mit den      
  24 Begriffen des Raumes und der Zeit bewandt. Einige von diesen Grundbegriffen      
  25 können in Ansehung des gesamten menschlichen Verstandes      
  26 notiones primitivae seyn, ob sie gleich in sensu absoluto nur derivativae      
  27 seyn mögen, z.E. Zugleich, nach einander seyn etc. Diese kan man notiones      
  28 absolute primitivas in sensu subjectivo nennen. ob sie es in sensu      
  29 objectivo sind, kan der Mensch nicht ausmachen. Eben so sind judicia in      
  30 sensu subjectivo prima in Ansehung einiger Menschen. z.E. Sprichwörter;      
  31 oder in Ansehung aller, z.E. principium contradictionis.      
           
  32 Wenn wir nun alle Erkentniße, die andern zum Grunde liegen,      
  33 principia nennen, so giebt es respectus in Ansehung      
           
     

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