Kant: AA II, Der einzig mögliche ... , Seite 088

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 derselben einem Wesen eine Ersetzung thun könnte, welche dem Abgang      
  02 derselben gleich wäre. Und da diese Eigenschaften also diejenige sind,      
  03 welche der höchsten Grade der Realität fähig sind, gleichwohl aber unter      
  04 die möglichen gehören, so müßte durch das nothwendige Wesen, als einen      
  05 Grund, Verstand und Wille und alle Realität der geistigen Natur an      
  06 andern möglich sein, die gleichwohl in ihm selbst nicht als eine Bestimmung      
  07 angetroffen würde. Es würde demnach die Folge größer sein als selbst der      
  08 Grund. Denn es ist gewiß, daß, wenn das höchste Wesen nicht selbst Verstand      
  09 und Willen hat, ein jedes andere, welches durch es mit diesen Eigenschaften      
  10 gesetzt werde, unerachtet es abhängend wäre und mancherlei andere      
  11 Mängel der Macht etc. hätte, gleichwohl in Ansehung dieser Eigenschaften      
  12 von der höchsten Art jenem in Realität vorgehen müßte. Weil      
  13 nun die Folge den Grund nicht übertreffen kann, so müssen Verstand und      
  14 Wille der nothwendigen einfachen Substanz als Eigenschaften beiwohnen,      
  15 das ist, sie ist ein Geist.      
           
  16 Drittens, Ordnung, Schönheit, Vollkommenheit in allem, was möglich      
  17 ist, setzen ein Wesen voraus, in dessen Eigenschaften entweder diese      
  18 Beziehungen gegründet sind, oder doch wenigstens durch welches Wesen      
  19 die Dinge diesen Beziehungen gemäß als aus einem Hauptgrunde möglich      
  20 sind. Nun ist das nothwendige Wesen der hinlängliche Realgrund alles      
  21 andern, was außer ihm möglich ist, folglich wird in ihm auch diejenige      
  22 Eigenschaft, durch welche diesen Beziehungen gemäß alles außer ihm wirklich      
  23 werden kann, anzutreffen sein. Es scheint aber, daß der Grund der      
  24 äußern Möglichkeit, der Ordnung, Schönheit und Vollkommenheit nicht      
  25 zureichend ist, wofern nicht ein dem Verstande gemäßer Wille voraus gesetzt      
  26 ist. Also werden diese Eigenschaften dem obersten Wesen müssen beigemessen      
  27 werden.      
           
  28 Jedermann erkennt, daß ungeachtet aller Gründe der Hervorbringung      
  29 von Pflanzen und Bäumen dennoch regelmäßige Blumenstücke, Alleen      
  30 u.d.g. nur durch einen Verstand, der sie entwirft, und durch einen Willen,      
  31 der sie ausführt, möglich sind. Alle Macht oder Hervorbringungskraft,      
  32 imgleichen alle andere Data zur Möglichkeit ohne einen Verstand sind unzulänglich      
  33 die Möglichkeit solcher Ordnung vollständig zu machen.      
           
  34 Aus einem dieser hier angeführten Gründe, oder aus ihnen insgesammt      
  35 wird der Beweis, daß das nothwendige Wesen Willen und Verstand      
  36 haben, mithin ein Geist sein müsse, hergeleitet werden können. Ich      
           
     

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