Kant: AA II, Versuch den Begriff der ... , Seite 203

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 übrigen Fällen. Ich lasse mich auch durch die Wörter Ursache und Wirkung,      
  02 Kraft und Handlung nicht abspeisen. Denn wenn ich etwas schon      
  03 als eine Ursache wovon ansehe, oder ihr den Begriff einer Kraft beilege,      
  04 so habe ich in ihr schon die Beziehung des Realgrundes zu der Folge gedacht,      
  05 und dann ist es leicht die Position der Folge nach der Regel der      
  06 Identität einzusehen. Z. E. Durch den allmächtigen Willen Gottes kann      
  07 man ganz deutlich das Dasein der Welt verstehen. Allein hier bedeutet      
  08 die Macht dasjenige Etwas in Gott, wodurch andre Dinge gesetzt werden.      
  09 Dieses Wort aber bezeichnet schon die Beziehung eines Realgrundes auf      
  10 die Folge, die ich mir gerne möchte erklären lassen. Gelegentlich merke ich      
  11 nur an, daß die Eintheilung des Herrn Crusius in den Ideal= und Realgrund      
  12 von der meinigen gänzlich unterschieden sei. Denn sein Idealgrund      
  13 ist einerlei mit dem Erkenntnißgrunde, und da ist leicht einzusehen, daß,      
  14 wenn ich etwas schon als einen Grund ansehe, ich daraus die Folge      
  15 schließen kann. Daher nach seinen Sätzen der Abendwind ein Realgrund      
  16 von Regenwolken ist und zugleich ein Idealgrund, weil ich sie daraus erkennen      
  17 und voraus vermuthen kann. Nach unsern Begriffen aber ist der      
  18 Realgrund niemals ein logischer Grund, und durch den Wind wird der      
  19 Regen nicht zu Folge der Regel der Identität gesetzt. Die von uns oben      
  20 vorgetragene Unterscheidung der logischen und realen Entgegensetzung ist      
  21 der jetzt gedachten vom logischen und Realgrunde parallel.      
           
  22 Die erstere sehe ich deutlich ein vermittelst des Satzes vom Widerspruche,      
  23 und ich begreife, wie, wenn ich die Unendlichkeit Gottes setze, dadurch      
  24 das Prädicat der Sterblichkeit aufgehoben wird, weil es nämlich      
  25 jener widerspricht. Allein wie durch die Bewegung eines Körpers die Bewegung      
  26 eines andern aufgehoben werde, da diese mit jener doch nicht im      
  27 Widerspruche steht, das ist eine andere Frage. Wenn ich die Undurchdringlichkeit      
  28 voraussetze, welche mit einer jeden Kraft, die in den Raum,      
  29 den ein Körper einnimmt, einzudringen trachtet, in realer Entgegensetzung      
  30 steht, so kann ich die Aufhebung der Bewegungen schon verstehen; alsdann      
  31 habe ich aber eine Realentgegensetzung auf eine andere gebracht.      
  32 Man versuche nun, ob man die Realentgegensetzung überhaupt erklären      
  33 und deutlich könne zu erkennen geben, wie darum, weil etwas ist, etwas      
  34 anders aufgehoben werde, und ob man etwas mehr sagen könne,      
  35 als was ich davon sagte, nämlich lediglich daß es nicht durch den Satz      
  36 des Widerspruchs geschehe. Ich habe über die Natur unseres Erkenntnisses      
  37 in Ansehung unserer Urtheile von Gründen und Folgen nachgedacht, und      
           
     

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