Kant: AA II, Beobachtungen über das ... , Seite 207

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
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Erster Abschnitt.

     
  02

Von den unterschiedenen Gegenständen des Gefühls vom

     
  03

Erhabenen und Schönen.

     
           
  04 Die verschiedene Empfindungen des Vergnügens oder des Verdrusses      
  05 beruhen nicht so sehr auf der Beschaffenheit der äußeren Dinge, die sie erregen,      
  06 als auf dem jedem Menschen eigenen Gefühle dadurch mit Lust oder      
  07 Unlust gerührt zu werden. Daher kommen die Freuden einiger Menschen,      
  08 woran andre einen Ekel haben, die verliebte Leidenschaft, die öfters jedermann      
  09 ein Räthsel ist, oder auch der lebhafte Widerwille, den der eine      
  10 woran empfindet, was dem andern völlig gleichgültig ist. Das Feld der      
  11 Beobachtungen dieser Besonderheiten der menschlichen Natur erstreckt sich      
  12 sehr weit und verbirgt annoch einen reichen Vorrath zu Entdeckungen, die      
  13 eben so anmuthig als lehrreich sind. Ich werfe für jetzt meinen Blick nur      
  14 auf einige Stellen, die sich in diesem Bezirke besonders auszunehmen      
  15 scheinen, und auch auf diese mehr das Auge eines Beobachters als des      
  16 Philosophen.      
           
  17 Weil ein Mensch sich nur in so fern glücklich findet, als er eine Neigung      
  18 befriedigt, so ist das Gefühl, welches ihn fähig macht große Vergnügen      
  19 zu genießen, ohne dazu ausnehmende Talente zu bedürfen, gewiß      
  20 nicht eine Kleinigkeit. Wohlbeleibte Personen, deren geistreichster Autor      
  21 ihr Koch ist und deren Werke von feinem Geschmack sich in ihrem Keller      
  22 befinden, werden bei gemeinen Zoten und einem plumpen Scherz in eben      
  23 so lebhafte Freude gerathen, als diejenige ist, worauf Personen von edeler      
  24 Empfindung so stolz thun. Ein bequemer Mann, der die Vorlesung der      
           
     

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