Kant: AA II, Untersuchung über die ... , Seite 296

     
           
 

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  01 geschieht das Formale der Urtheile nach den Sätzen der Einstimmung      
  02 und des Widerspruchs. In beiden sind unerweisliche Sätze, die die Grundlage      
  03 zu Schlüssen machen. Nur da die Definitionen in der Mathematik      
  04 die ersten unerweislichen Begriffe der erklärten Sachen sind, so müssen an      
  05 deren Statt verschiedene unerweisliche Sätze in der Metaphysik die ersten      
  06 Data angeben, die aber eben so sicher sein können, und welche entweder      
  07 den Stoff zu Erklärungen oder den Grund sicherer Folgerungen darbieten.      
  08 Es ist eben sowohl eine zur Überzeugung nöthige Gewißheit, deren die      
  09 Metaphysik, als welcher die Mathematik fähig ist, nur die letztere ist leichter      
  10 und einer größern Anschauung theilhaftig.      
           
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Vierte Betrachtung.

     
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Von der Deutlichkeit und Gewißheit, deren die erste Gründe

     
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der natürlichen Gottesgelahrtheit und Moral fähig sind.

     
           
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§ 1.
     
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Die erste Gründe der natürlichen Gottesgelahrtheit sind der
     
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größten philosophischen Evidenz fähig.
     
           
  17 Es ist erstlich die leichteste und deutlichste Unterscheidung eines      
  18 Dinges von allen andern möglich, wenn dieses Ding ein einziges mögliche      
  19 seiner Art ist. Das Object der natürlichen Religion ist die alleinige erste      
  20 Ursache; seine Bestimmungen werden so bewandt sein, daß sie nicht leichtlich      
  21 mit anderer Dinge ihren können verwechselt werden. Die größte Überzeugung      
  22 aber ist möglich, wo es schlechterdings nothwendig ist, daß diese      
  23 und keine andere Prädicate einem Dinge zukommen. Denn bei zufälligen      
  24 Bestimmungen ist es mehrentheils schwer, die wandelbaren Bedingungen      
  25 seiner Prädicate aufzufinden. Daher das schlechterdings nothwendige      
  26 Wesen ein Object von der Art ist, daß, sobald man einmal auf die ächte      
  27 Spur seines Begriffes gekommen ist, es noch mehr Sicherheit als die      
  28 mehrste andere philosophische Kenntnisse zu versprechen scheint. Ich kann      
  29 bei diesem Theil der Aufgabe nichts anders thun, als die mögliche philosophische      
  30 Erkenntniß von Gott überhaupt in Erwägung ziehen; denn es      
  31 würde viel zu weitläuftig sein, die wirklich vorhandenen Lehren der Weltweisen      
  32 über diesen Gegenstand zu prüfen. Der Hauptbegriff, der sich hier      
  33 dem Metaphysiker darbietet, ist die schlechterdings nothwendige Existenz      
           
     

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