Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 270

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ich bin mir meiner selbst bewußt, ist ein Gedanke, der schon ein      
  02 zweifaches Ich enthält, das Ich als Subject, und das Ich als Object.      
           
  03 Wie es möglich sey, daß ich, der ich denke mir selber ein gegenstand      
  04 (der Anschauung) seyn, uns so mich von mir selbst unterscheined könne,      
  05 ist schlechterdings unmöglich zu erklären, obwohl es ein unbezweifeltes      
  06 Factum ist; es zeigt aber ein über alle Sinnenanschauung so weit erhabenes      
  07 Vermögen an, daß es, als der Grund der Möglichkeit eines      
  08 Verstandes, die gänzliche Absonderung von allem Vieh, dem wir das      
  09 Vermögen, zu sich selbst Ich zu sagen, nicht Ursache haben beyzulegen,      
  10 zur Folge hat, und in eine Unendlichkeit von selbstgemachten Vorstellungen      
  11 und Begriffen hinaussieht. Es wird dadurch aber nicht eine doppelte      
  12 Persönlichkeit gemeynt, sondern nur Ich, der ich denke und anschaue,      
  13 ist die Person, das Ich aber des Objectes, was von mir angeschauet wird,      
  14 ist gleich andern Gegenständen außer mir, die Sache.      
           
  15 Von dem Ich in der ersten Bedeutung (dem Subject der Apperception),      
  16 dem logischen Ich, als Vorstellung a priori, ist schlechterdings      
  17 nichts weiter zu erkennen möglich, was es für ein Wesen, und von welcher      
  18 Naturbeschaffenheit es sey; es ist gleichsam, wie das Substanziale, was      
  19 übrig bleibt, wenn ich alle Accidenzen, die ihm inhäriren, weggelassen      
  20 habe, das aber schlechterdings gar nicht weiter erkannt werden kann,      
  21 weil die Accidenzen gerade das waren, woran ich seine Natur erkennen      
  22 konnte.      
           
  23 Das Ich aber in der zweyten Bedeutung (als Subject der Perception;      
  24 das psychologische Ich, als empirisches Bewußtseyn, ist mannigfacher      
  25 Erkenntniß fähig, worunter die die Form der inneren Anschauung,      
  26 die Zeit, diejenige ist, welche a priori allen Wahrnehmungen und deren      
  27 Verbindung zum Grunde liegt, deren Auffassung (apprehensio) der Art,      
  28 wie das Subject dadurch afficirt wird, d.i. der Zeitbedingung gemäß ist,      
  29 indem das sinnliche Ich vom Intellectuellen, zur Aufnahme derselben      
  30 ins Bewußtseyn, bestimmt wird.      
           
  31 Daß dieses so sey, davon kann uns jede innere, von uns angestellte      
  32 psychologische Beobachtung zum Beleg und Beyspiel dienen; denn es      
  33 wird dazu erfordert, daß wir den innern Sinn, zum Theil auch wohl bis      
  34 zum Grade der Beschwerlichkeit, vermittelst der Aufmerksamkeut afficiren      
  35 (denn Gedanken, als factische Bestimmungen des Vorstellungsvermögens,      
  36 gehören auch mit zur empirischen Vorstellung unsers Zustandes),      
  37 um ein Erkenntniß von dem, was uns der innere Sinn darlegt,      
  38 zuvörderst in der Anschauung unsrer selbst zu haben, welche uns dann      
  39 uns selbst nur vorstellig macht, wie wir uns erscheinen, indessen daß das      
           
           
           
     

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