Kant: AA XXIII, Vorredeentwurf zur Allgemeinen ... , Seite 011

   
         
 

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LBl E 69 R II 236-239 I 221f.

   
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Zweite Seite

   
         
  03 Ich habe mir einen Vorwurf gewählet welcher sowohl von der Seite    
  04 seiner innern Schwierigkeit als der von seiten der religion nur wenig    
  05 Hoffnung zu einem guten Erfolge verspricht. Das systematische in dem    
  06 gantzen Umfang der Schöpfung zu entdecken u. die Verbindung aller    
  07 Weltordnungen mit einem philosophischen Auge zu übersehen, die Bildung    
  08 der Weltkörper und alle Ordnung in ihren Bewegungen und die    
  09 Schönheit der gantzen Natur auf eine mechanische Art zu erklären scheinen    
  10 Einsichten zu seyn daran die menschlichen Fähigkeiten nicht gelangen    
  11 werden. Von der andern seite drohet die Religion mit einer feyerlichen    
  12 Anklage über die Verwegenheit den Ursprung des Weltgebäudes in den    
  13 allgemeinen Bewegungsgesetzen der Materie suchen zu wollen und befürchtet    
  14 daß dieses dahinausliefe die Vorsehung ihres Vorrechtes zu    
  15 berauben. Ich sehe alle diese Schwierigkeiten wohl ein und werde doch    
  16 nicht kleinmüthig. Ich habe wie Colon auf geringe Vermuthung die Unternehmung    
  17 einer gefährlichen Reise gewagt und habe ein neues Land entdeckt.    
  18 Ich berufe mich darauf mir nur auf dem Fuße zu folgen u. der    
  19 Ausgang der Untersuchung wird mein unterfangen rechtfertigen.    
         
  20 Ich habe nicht ehe den Anschlag zu diesem Vorhaben gefaßet als    
  21 bis ich mich in ansehung der Pflichten gegen die Religion in Sicherheit    
  22 gesetzt hatte. Mein Eifer ist verdoppelt worden dieser Bahn zu folgen    
  23 nachdem mir die Vortheile in die Augen geleuchtet die die Verehrung    
  24 Gottes aus dieser Art der Betrachtung so gar bey denen zeugen muß    
  25 die in Ansehung der bisherigen Gründe aus der Natur verstockt geblieben.    
  26 Ich will getreulich anführen was wohlgesinnte und nur behutsame Gemüther    
  27 in meinem Plane anstößiges finden können und bin bereit denselbigen    
  28 der strenge eines Rechtgläubigen aeropagus mit einer freymüthigkeit    
  29 die das Merkmal einer redlichen gesinnung ist zu unpartheyischer    
  30 prüfung zu unterwerfen. Laßt uns die Anklage des Sachwalters    
  31 des Glaubens vernehmen.    
         
         
     

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