Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zur Religion innerhalb der ... , Seite 124

   
         
 

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  01 haben können das sittlich Gute wodurch der Mensch Gott wohlgefällig    
  02 werden kan an jedem der sie thut zu befördern oder auch auf die späteste    
  03 Nachkommenschaft fortzupflanzen für sich selbst aber da sie nichts moralisches    
  04 in sich haben niemanden unmittelbar Gott wohlgefällig machen    
  05 können.    
         
  06 1. Das Gebet: Da Gott die Gesinnungen unmittelbar durchschaut    
  07 so ist es nicht nöthig sie selbst auch nur durch den Gebrauch der Worte im    
  08 Gemüthe selbst ihm bekannt zu machen sondern alles kan nur ein Mittel    
  09 seyn unser eigenes Gemüth durch dieses Mittel zur practischen Verehrung    
  10 aufzumuntern. Weil aber keine Worte hinlangen den ganzen Grad der    
  11 ächten moralischen Stimmung des Gemüths auszudrücken so muß es    
  12 hiebey nur auf Handlungen angesehen werden nicht auf einen Dienst    
  13 Gottes um ihm durch bloße Verehrung zu gefallen. Jenes Mittel also    
  14 ist so wie alle Mittel überhaupt nach Verschiedenheit der Menschen und    
  15 des Zustandes derselben nöthig oder entbehrlich. Allein der Geist des    
  16 Gebeths dieser continuirliche Wunsch als beständig im Dienste Gottes    
  17 ihm in reiner Gesinnung wohlgefällig zu seyn gefällt Gott unmittelbar    
  18 und von ihm kan man sagen er könne ohne Unterlaß fortdauren. - Die    
  19 Summe alles moralischen Gebeths im Vaterunser beweiset dieses    
  20 dadurch daß es die physische Bedürfnisse nur in dem was zur Existenz    
  21 nothwendig ist ausgenommen davon entfernt. - Sonst ist die Anrede    
  22 Gottes eigentlich ein Gespräch mit sich selbst nicht um sich seine Gedanken    
  23 festlich zu machen sondern um sie einem andern mitzutheilen.    
         
  24 2. Das Kirchengehen ist die Repräsentation der Vereinigung der    
  25 Menschen in einen ethischen Staat unter dem moralischen Oberhaupte    
  26 Gott. Die Feyerlichkeit desselben ist blos Mittel und kan übertrieben    
  27 werden. Es ist Pflicht dazu aber auch nur zum guten Lebenswandel um    
  28 sich zu diesem Behuf zu vereinigen. Alle andere fromme Gesellschaften    
  29 fallen weg.    
         
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  32 Die Messianisch-christliche Lehre von der Versöhnung mit Gott durch    
  33 ein Opfer soll dazu dienen uns zum guten Lebenswandel zu führen.    
  34 Nun macht man es aber umgekehrt man soll durch Verfleißigung zu einem    
  35 guten Lebenswandel und überhaupt um ein Gott wohlgefälliger Mensch    
  36 zu werden die Messianische Geschichte glauben.    
         
         
     

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