Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zu Die Metaphysik der ... , Seite 390

   
         
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

Verknüpfungen:

 

 

 
  01

LBl E 76 R II 258-262

   
  02

Erste Seite

   
         
  03 Pflichten sind Handlungen die nach einem unbedingten Gebote der    
  04 Vernunft nothwendig sind. Die Nöthigung zu solchen Handlungen heißt    
  05 Verbindlichkeit. Die moralische Beschaffenheit des Subjects durch die    
  06 bloße Idee der Pflicht zu Erfüllung derselben genöthigt zu werden ist    
  07 die Tugend; die Lehre alles dessen was zur Tugend gehört ist die Tugendlehre    
  08 (Ethik).    
         
  09 Die Tugendlehre geht daher auf alle Pflichten indem sie nur das    
  10 von dem Allgemeinen der Sittenlehre besonders in sich enthält daß sie    
  11 die Idee der Pflicht selbst zur Triebfeder macht. Die allgemeine Sittenlehre    
  12 aber geht überhaupt auf pflichtmäßige Handlungen die Triebfeder    
  13 dadurch das Subject dazu bestimmt wird mag in demselben seyn welche    
  14 sie wolle. - Die Nöthigung aber die nicht durch die Idee der Pflicht    
  15 geschieht d. i. die nicht eine solche ist welche die Vernunft des Subjects    
  16 über sich nach Freyheitsgesetzen ausübt (sich selbst zwingt) kan nur die    
  17 mit der Freyheit vereinbare Möglichkeit seyn von anderen zu solchen    
  18 Handlungen gezwungen zu werden und gegenseitig andere zu solchen    
  19 zu zwingen.    
         
  20 Also ist die Sittenlehre entweder die Rechtslehre oder die Tugendlehre.    
         
  22 Die Befugnis des Zwanges anderer (sie zu zwingen) gründet sich    
  23 aber auf die Persönlichkeit des Subjects und die freye Willkühr der    
  24 Person steht selbst unter der Idee ihrer Persönlichkeit wornach sie in Handlungen    
  25 die auf sie selbst gehen durch sich selbst genöthigt wird und moralisch    
  26 gezwungen nach der Analogie mit dem Zwange eines Anderen    
  27 und diese Verbindlichkeit gegen sich selbst kann also auch das Recht der    
  28 Menschheit in unserer eigenen Person heißen welches aller anderen    
  29 Verbindlichkeit vorgeht.    
         
  30

Zweite Seite

   
         
  31 Das Recht der Menschheit in unserer eigenen Person gehört also    
  32 noch nicht in die Tugendlehre weil sie auch nicht verlangt daß die Idee    
  33 der Pflicht gegen sich selbst zugleich die Triebfeder der Handlungen sey:    
  34 Es ist aber die oberste Bedingung aller Pflichtgesetze weil das Subject    
  35 sonst aufhören würde ein Subject der Pflichten (Person) zu seyn und zu    
  36 Sachen gezählt werden müßte.    
         
         
     

[ Seite 389 ] [ Seite 391 ] [ Inhaltsverzeichnis ]