Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zum Streit der ... , Seite 445

   
         
 

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  01 in dieses über wenn er in jenen die ganze Religion setzt: - Es giebt    
  02 keinen Kirchenglauben in der Welt der von dieser Beymischung ganz    
  03 frey wäre indem sie alle im Glauben gewisser statutarischer Lehren und    
  04 Begehung eben solcher Pflichten (beydes zusammen Cultus genannt)    
  05 einen inneren Gehalt der Religion setzen obzwar darinn rechtgläubig zu    
  06 seyn Menschen ohne alle Moralität und Tugend gar wohl möglich ist.    
  07 Die Vielgötterey gehört zwar freylich zum Heydenthum; denn die Einheit    
  08 des moralischen Characters derselben wornach alle moralische Gesetze    
  09 zugleich ihre Gebote wären ist nur durch eine sehr unnatürliche Erdichtung    
  10 anzunehmen möglich. Aber sie ist nicht der eigenthümliche    
  11 Character des Heydenthums wie man gewöhnlich annimmt; der Monotheism    
  12 kan eben sowohl durch dieses verunreinigt werden. Denn einen    
  13 einigen Gott abgöttisch d. i. so zu verehren daß man im Kirchenglauben    
  14 das wesentliche der Religion setzet ist (als formale Idololatrie) von dem    
  15 Glauben viel Göttern zu dienen nur in der Weise unterschieden weil es    
  16 unendlich vielerley Satzungen geben könne als specifische Unterschiede    
  17 eines besondern Kirchenglaubens deren jeder seinen besondern Gott    
  18 zum Urheber haben könnte deren jedem man einen besondern Gott    
  19 vorsetzen kan.    
         
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LBl B 3 R I 94-95

   
         
  21 *Alle Versinnlichung des Übersinnlichen (z. B. des Einflusses eines    
  22 himmlischen Geistes) kan nicht in einer unmittelbaren Erfahrung sondern    
  23 nur in den Wirkungen bestehen davon jenes als die uns unerforschliche    
  24 (ihrer Caußalität nach nicht begreifliche) Ursache angesehen wird die    
  25 folglich ihre Wirklichkeit nur durch die Heiligkeit des Lebenswandels als    
  26 Wirkung jenes Grundes beweisen kann.- Die Frage also welche den    
  27 Staat interessirt (der nicht sowohl auf die Glückseligkeit der Unterthanen    
  28 in einer künftigen sondern auf seine eigene in der Gegenwärtigen Bedacht    
  29 nimmt) ist: Bey welchem Glauben er wohl treuere Soldaten und bessere    
  30 freywillig folgsamere Bürger zu haben sich gewärtigen könne ob bey    
  31 dem der im statutarischen das Wesentliche und Seligmachende der Religion    
  32 setzt oder bey dem der inständig darauf dringt es in dem reinmoralischen    
  33 zu setzen indem er jenes doch als verehrungswürdiges Vehikel des letzteren    
  34 gelten läßt. - Es ist klar daß dieser Wahnglaube dem Staat gar keine    
  35 Sicherheit gebe daß er auf denjenigen welcher sich bewust ist daß er sein (Fortsetzung der Fußnote auf Seite 446)    
         
     

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