Kant: AA XXIII, Ergänzungen zum ... , Seite 495

   
         
 

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  01 bürgerlichen Gesellschaft”. Es frägt sich eigentlich, wie Gesetze in einer    
  02 schon vorausgesetzten bürgerlichen Gesellschaft gegeben werden sollen    
  03 und da glaube ich, köne man nach der Ordnung der Categorien sagen:    
         
  04 1mo der Quantität nach, müssen sie so beschaffen seyn, als ob    
  05 einer für alle und alle für einen sie beschlossen hätte; daß sie    
         
  06 2do der Qualität nach, nicht den Zweck der Bürger (jedes seine    
  07 Glückseligkeit, die man jeden nach seiner Neigung und Vermögen selbst    
  08 kan besorgen lassen), sondern um die Freyheit eines jeden und die    
  09 Einschränkung derselben durch den Zwang, auf die Bedingungen, unter    
  10 denen sie mit jedes andern Freyheit zusammen bestehen kan, betreffen    
  11 müssen. Daß sie, was    
         
  12 3tio die Relation der Handlungen des Bürgers betrift, nicht diejenige    
  13 betreffen müssen, welche er gegen sich selbst ausübt, oder unmittelbar    
  14 in Ansehung Gottes zu verrichten vermeynt, sondern nur die äußere    
  15 Handlungen, dadurch er anderer Mitbürger Freyheit einschränkt. Daß    
         
  16 4to der Modalität nach, die Gesetze (als Zwangsgesetze) um der    
  17 allgemeinen Freyheit selber nicht anders als so fern sie nothwendig    
  18 zu dieser erforderlich sind und nicht als willkührliche und zufällige Gebote,    
  19 um beliebiger Zwecke willen, gegeben werden müssen.    
         
  20 Das allgemeine Problem der bürgerlichen Vereinigung aber ist:    
  21 Freyheit mit einem Zwange zu verbinden, welcher doch mit der allgemeinen    
  22 Freyheit und zur Erhaltung derselben zusammenstimmen kan.    
  23 Auf solche Art entspringt ein Zustand der äßeren Gerechtigkeit (status    
  24 iustitiae externae), wodurch das, was im natürlichen Zustande blos    
  25 Idee war, nämlich das Recht, als bloßes Befugnis zu zwingen,    
  26 realisirt wird.    
         
  27 Ich werde gegen Ende dieses Sommers meine Metaphysik der Sitten    
  28 auszuarbeiten anfangen und denke gegen künftige Ostern damit fertig    
  29 zu werden. In derselben werden die Principien a priori für eine bürgerliche    
  30 Verfassung überhaupt auch abgehandelt werden.    
         
  31 Bey der Rechtschaffenheit der Denkungsart und dem lebhaften Antheil    
  32 an allem Guten, den Ihre an mich erlassene Briefe athmen, kan es    
  33 nicht fehlen, daß die Ruhe der Seele, welche Sie mir am Abende meines    
  34 Lebens nicht ohne Grund zuzuschreiben belieben, ihre eigene Tage, deren    
  35 Sie noch viele erleben mögen, erheitern.    
         
  36 Ich bin mit Hochachtung und Freundschaft    
         
  37 Ihr    
  38 ergebenster Diener    
  39 I. Kant.    
         
         
         
     

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