Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 033

     
           
 

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  01 werden, wiewohl sie der Materie oder dem Inhalte nach die Begriffe, die      
  02 wir haben, nicht erweitern, sondern nur aus einander setzen. Da dieses      
  03 Verfahren nun eine wirkliche Erkenntniß a priori giebt, die einen sichern      
  04 und nützlichen Fortgang hat, so erschleicht die Vernunft, ohne es selbst zu      
  05 merken, unter dieser Vorspiegelung Behauptungen von ganz anderer Art,      
  06 wo die Vernunft zu gegebenen Begriffen ganz fremde, und zwar a priori      
  07 hinzu thut, ohne daß man weiß, wie sie dazu gelange, und ohne sich eine      
  08 solche Frage auch nur in die Gedanken kommen zu lassen. Ich will daher      
  09 gleich anfangs von dem Unterschiede dieser zwiefachen Erkenntnißart      
  10 handeln.      
           
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IV

     
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Von dem Unterschiede analytischer und synthetischer Urtheile.

     
           
  13 In allen Urtheilen, worin das Verhältniß eines Subjects zum Prädicat      
  14 gedacht wird (wenn ich nur die bejahende erwäge, denn auf die verneinende      
  15 ist nachher die Anwendung leicht), ist dieses Verhältniß auf      
  16 zweierlei Art möglich. Entweder das Prädicat B gehört zum Subject A      
  17 als etwas, was in diesem Begriffe A (versteckter Weise) enthalten ist;      
  18 oder B liegt ganz außer dem Begriff A, ob es zwar mit demselben in      
  19 Verknüpfung steht. Im ersten Fall nenne ich das Urtheil analytisch,      
  20 in dem andern synthetisch. Analytische Urtheile (die bejahende) sind      
  21 also diejenige, in welchen die Verknüpfung des Prädicats mit dem Subject      
  22 durch Identität, diejenige aber, in denen diese Verknüpfung ohne      
  23 Identität gedacht wird, sollen synthetische Urtheile heißen. Die erstere      
  24 könnte man auch Erläuterungs=, die andere Erweiterungsurtheile      
  25 heißen, weil jene durch das Prädicat nichts zum Begriff des Subjects      
  26 hinzuthun, sondern diesen nur durch Zergliederung in seine Theilbegriffe      
  27 zerfällen, die in selbigem schon (obgleich verworren) gedacht waren: da      
  28 hingegen die letztere zu dem Begriffe des Subjects ein Prädicat hinzuthun,      
  29 welches in jenem gar nicht gedacht war und durch keine Zergliederung      
           
     

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