Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 063

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 als Vorstellungen bestreiten darf, gleichwohl nur zur Erscheinung      
  02 gehören, welche jederzeit zwei Seiten hat, die eine, da das Object an sich      
  03 selbst betrachtet wird (unangesehen der Art, dasselbe anzuschauen, dessen      
  04 Beschaffenheit aber eben darum jederzeit problematisch bleibt), die andere,      
  05 da auf die Form der Anschauung dieses Gegenstandes gesehen wird, welche      
  06 nicht in dem Gegenstande an sich selbst, sondern im Subjecte, dem derselbe      
  07 erscheint, gesucht werden muß, gleichwohl aber der Erscheinung dieses Gegenstandes      
  08 wirklich und nothwendig zukommt.      
           
  09 Zeit und Raum sind demnach zwei Erkenntnißquellen, aus denen      
  10 a priori verschiedene synthetische Erkenntnisse geschöpft werden können,      
  11 wie vornehmlich die reine Mathematik in Ansehung der Erkenntnisse vom      
  12 Raume und dessen Verhältnissen ein glänzendes Beispiel giebt. Sie sind      
  13 nämlich beide zusammengenommen reine Formen aller sinnlichen Anschauung      
  14 und machen dadurch synthetische Sätze a priori möglich. Aber      
  15 diese Erkenntnißquellen a priori bestimmen sich eben dadurch (daß sie bloß      
  16 Bedingungen der Sinnlichkeit sind) ihre Grenzen, nämlich daß sie bloß      
  17 auf Gegenstände gehen, sofern sie als Erscheinungen betrachtet werden,      
  18 nicht aber Dinge an sich selbst darstellen. Jene allein sind das Feld ihrer      
  19 Gültigkeit, woraus, wenn man hinausgeht, weiter kein objectiver Gebrauch      
  20 derselben stattfindet. Diese Realität des Raumes und der Zeit läßt übrigens      
  21 die Sicherheit der Erfahrungserkenntniß unangetastet: denn wir      
  22 sind derselben eben so gewiß, ob diese Formen den Dingen an sich selbst,      
  23 oder nur unsrer Anschauung dieser Dinge nothwendiger Weise anhängen.      
  24 Dagegen die, so die absolute Realität des Raumes und der Zeit behaupten,      
  25 sie mögen sie nun als subsistirend oder nur inhärirend annehmen,      
  26 mit den Principien der Erfahrung selbst uneinig sein müssen. Denn entschließen      
  27 sie sich zum ersteren (welches gemeiniglich die Partei der mathematischen      
  28 Naturforscher ist), so müssen sie zwei ewige und unendliche für      
  29 sich bestehende Undinge (Raum und Zeit) annehmen, welche dasind (ohne      
  30 daß doch etwas Wirkliches ist), nur um alles Wirkliche in sich zu befassen.      
  31 Nehmen sie die zweite Partei (von der einige metaphysische Naturlehrer      
  32 sind), und Raum und Zeit gelten ihnen als von der Erfahrung abstrahirte,      
  33 obzwar in der Absonderung verworren vorgestellte, Verhältnisse der      
  34 Erscheinungen (neben oder nach einander): so müssen sie den mathematischen      
  35 Lehren a priori in Ansehung wirklicher Dinge (z. E. im Raume)      
  36 ihre Gültigkeit, wenigstens die apodiktische Gewißheit bestreiten, indem      
  37 diese a posteriori gar nicht stattfindet, und die Begriffe a priori von      
           
     

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