Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 203

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 haben, so kann doch ein summarischer Überschlag ihrer Auflösungen die      
  02 Überzeugung dadurch verstärken, daß er die Momente derselben in einem      
  03 Punkt vereinigt.      
           
  04 Wir haben nämlich gesehen: daß alles, was der Verstand aus sich      
  05 selbst schöpft, ohne es von der Erfahrung zu borgen, das habe er dennoch      
  06 zu keinem andern Behuf, als lediglich zum Erfahrungsgebrauch. Die      
  07 Grundsätze des reinen Verstandes, sie mögen nun a priori constitutiv sein      
  08 (wie die mathematischen), oder bloß regulativ (wie die dynamischen), enthalten      
  09 nichts als gleichsam nur das reine Schema zur möglichen Erfahrung;      
  10 denn diese hat ihre Einheit nur von der synthetischen Einheit, welche      
  11 der Verstand der Synthesis der Einbildungskraft in Beziehung auf die      
  12 Apperception ursprünglich und von selbst ertheilt, und auf welche die Erscheinungen,      
  13 als data zu einem möglichen Erkenntnisse, schon a priori in      
  14 Beziehung und Einstimmung stehen müssen. Ob nun aber gleich diese      
  15 Verstandesregeln nicht allein a priori wahr sind, sondern sogar der Quell      
  16 aller Wahrheit, d. i. der Übereinstimmung unserer Erkenntniß mit Objecten,      
  17 dadurch daß sie den Grund der Möglichkeit der Erfahrung als des      
  18 Inbegriffes aller Erkenntniß, darin uns Objecte gegeben werden mögen,      
  19 in sich enthalten, so scheint es uns doch nicht genug, sich bloß dasjenige      
  20 vortragen zu lassen, was wahr ist, sondern was man zu wissen begehrt.      
  21 Wenn wir also durch diese kritische Untersuchung nichts mehreres lernen,      
  22 als was wir im bloß empirischen Gebrauche des Verstandes auch ohne so      
  23 subtile Nachforschung von selbst wohl würden ausgeübt haben, so scheint      
  24 es, sei der Vortheil, den man aus ihr zieht, den Aufwand und die Zurüstung      
  25 nicht werth. Nun kann man zwar hierauf antworten: daß kein      
  26 Vorwitz der Erweiterung unserer Erkenntniß nachtheiliger sei als der, so      
  27 den Nutzen jederzeit zum voraus wissen will, ehe man sich auf Nachforschungen      
  28 einläßt, und ehe man noch sich den mindesten Begriff von      
  29 diesem Nutzen machen könnte, wenn derselbe auch vor Augen gestellt würde.      
  30 Allein es giebt doch einen Vortheil, der auch dem schwierigsten und unlustigsten      
  31 Lehrlinge solcher transscendentalen Nachforschung begreiflich      
  32 und zugleich angelegen gemacht werden kann, nämlich dieser: daß der bloß      
  33 mit seinem empirischen Gebrauche beschäftigte Verstand, der über die      
  34 Quellen seiner eigenen Erkenntniß nicht nachsinnt, zwar sehr gut fortkommen,      
  35 eines aber gar nicht leisten könne, nämlich sich selbst die Grenzen      
  36 seines Gebrauchs zu bestimmen und zu wissen, was innerhalb oder außerhalb      
  37 seiner ganzen Sphäre liegen mag; denn dazu werden eben die tiefen      
           
     

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