Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 212

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Sinnlichkeit zusammen, ohne doch etwas Positives außer dem Umfange      
  02 derselben setzen zu können.      
           
  03 Die Eintheilung der Gegenstände in Phaenomena und Noumena und      
  04 der Welt in eine Sinnen= und Verstandeswelt kann daher in positiver      
  05 Bedeutung gar nicht zugelassen werden, obgleich Begriffe allerdings      
  06 die Eintheilung in sinnliche und intellectuelle zulassen; denn man kann den      
  07 letzteren keinen Gegenstand bestimmen und sie also auch nicht für objectiv      
  08 gültig ausgeben. Wenn man von den Sinnen abgeht, wie will man begreiflich      
  09 machen, daß unsere Kategorien (welche die einzigen übrig bleibenden      
  10 Begriffe für Noumena sein würden) noch überall etwas bedeuten, da      
  11 zu ihrer Beziehung auf irgend einen Gegenstand noch etwas mehr als bloß      
  12 die Einheit des Denkens, nämlich überdem eine mögliche Anschauung, gegeben      
  13 sein muß, darauf jene angewandt werden können? Der Begriff eines      
  14 Noumeni , bloß problematisch genommen, bleibt demungeachtet nicht allein      
  15 zulässig, sondern auch, als ein die Sinnlichkeit in Schranken setzender Begriff,      
  16 unvermeidlich. Aber alsdann ist das nicht ein besonderer intelligibeler      
  17 Gegenstand für unsern Verstand, sondern ein Verstand, für den      
  18 es gehörte, ist selbst ein Problema, nämlich nicht discursiv, durch Kategorien,      
  19 sondern intuitiv, in einer nichtsinnlichen Anschauung, seinen Gegenstand      
  20 zu erkennen, als von welchem wir uns nicht die geringste Vorstellung      
  21 seiner Möglichkeit machen können. Unser Verstand bekommt nun auf diese      
  22 Weise eine negative Erweiterung, d. i. er wird nicht durch die Sinnlichkeit      
  23 eingeschränkt, sondern schränkt vielmehr dieselbe ein, dadurch daß er Dinge      
  24 an sich selbst (nicht als Erscheinungen betrachtet) Noumena nennt. Aber      
  25 er setzt sich auch sofort selbst Grenzen, sie durch keine Kategorien zu erkennen,      
  26 mithin sie nur unter dem Namen eines unbekannten Etwas zu      
  27 denken.      
           
  28 Ich finde indessen in den Schriften der Neueren einen ganz andern      
  29 Gebrauch der Ausdrücke eines mundi sensibilis und intelligibilis ,*) der      
           
    *) Man muß nicht statt dieses Ausdrucks den einer intellectuellen Welt, wie man im deutschen Vortrage gemeinhin zu thun pflegt, brauchen; denn intellectuell oder sensitiv sind nur die Erkenntnisse. Was aber nur ein Gegenstand der einen oder der anderen Anschauungsart sein kann, die Objecte also, müssen (unerachtet der Härte des Lauts) intelligibel oder sensibel heißen.      
           
     

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