Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 289

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 und die Totalität ihrer Synthesis im Großen sowohl als im      
  02 Kleinen, d. i. sowohl in dem Fortschritt derselben durch Zusammensetzung,      
  03 als durch Theilung. Eben dieselbe Welt wird aber Natur*) genannt, so fern      
  04 sie als ein dynamisches Ganzes betrachtet wird, und man nicht auf die      
  05 Aggregation im Raume oder der Zeit, um sie als eine Größe zu Stande      
  06 zu bringen, sondern auf die Einheit im Dasein der Erscheinungen sieht.      
  07 Da heißt nun die Bedingung von dem, was geschieht, die Ursache und die      
  08 unbedingte Causalität der Ursache in der Erscheinung die Freiheit, die      
  09 bedingte dagegen heißt im engeren Verstande Naturursache. Das Bedingte      
  10 im Dasein überhaupt heißt zufällig und das Unbedingte nothwendig.      
  11 Die unbedingte Nothwendigkeit der Erscheinungen kann Naturnothwendigkeit      
  12 heißen.      
           
  13 Die Ideen, mit denen wir uns jetzt beschäftigen, habe ich oben kosmologische      
  14 Ideen genannt, theils darum, weil unter Welt der Inbegriff aller      
  15 Erscheinungen verstanden wird, und unsere Ideen auch nur auf das Unbedingte      
  16 unter den Erscheinungen gerichtet sind, theils auch, weil das Wort      
  17 Welt im transscendentalen Verstande die absolute Totalität des Inbegriffs      
  18 existirender Dinge bedeutet, und wir auf die Vollständigkeit der Synthesis      
  19 (wiewohl nur eigentlich im Regressus zu den Bedingungen) allein unser      
  20 Augenmerk richten. In Betracht dessen, daß überdem diese Ideen insgesammt      
  21 transscendent sind und, ob sie zwar das Object, nämlich Erscheinungen,      
  22 der Art nach nicht überschreiten, sondern es lediglich mit der      
  23 Sinnenwelt (nicht mit Noumenis ) zu thun haben, dennoch die Synthesis      
  24 bis auf einen Grad, der alle mögliche Erfahrung übersteigt, treiben, so      
  25 kann man sie insgesammt meiner Meinung nach ganz schicklich Weltbegriffe      
  26 nennen. In Ansehung des Unterschiedes des Mathematisch= und      
  27 des Dynamisch=Unbedingten, worauf der Regressus abzielt, würde ich doch      
  28 die zwei ersteren in engerer Bedeutung Weltbegriffe (der Welt im Großen      
  29 und Kleinen), die zwei übrigen aber transscendente Naturbegriffe      
           
    *) Natur, adjective (formaliter) genommen, bedeutet den Zusammenhang der Bestimmungen eines Dinges nach einem innern Princip der Causalität. Dagegen versteht man unter Natur substantive (materialiter) den Inbegriff der Erscheinungen, so fern diese vermöge eines innern Princips der Causalität durchgängig zusammenhängen. Im ersteren Verstande spricht man von der Natur der flüssigen Materie, des Feuers etc. und bedient sich dieses Worts nur adjective ; dagegen wenn man von den Dingen der Natur redet, so hat man ein bestehendes Ganzes in Gedanken.      
           
     

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