Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 380

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 daß sie nicht den Faden der empirischen Bedingungen verlasse      
  02 und sich in transscendente und keiner Darstellung in concreto fähige      
  03 Erklärungsgründe verlaufe, also auch andererseits das Gesetz des bloß empirischen      
  04 Verstandesgebrauchs dahin einzuschränken, daß es nicht über die      
  05 Möglichkeit der Dinge überhaupt entscheide und das Intelligibele, ob es      
  06 gleich von uns zur Erklärung der Erscheinungen nicht zu gebrauchen ist,      
  07 darum nicht für unmöglich erkläre. Es wird also dadurch nur gezeigt,      
  08 daß die durchgängige Zufälligkeit aller Naturdinge und aller ihrer (empirischen)      
  09 Bedingungen ganz wohl mit der willkürlichen Voraussetzung      
  10 einer nothwendigen, obzwar bloß intelligibelen Bedingung zusammen      
  11 bestehen könne, also kein wahrer Widerspruch zwischen diesen Behauptungen      
  12 anzutreffen sei, mithin sie beiderseits wahr sein können. Es mag      
  13 immer ein solches schlechthin nothwendiges Verstandeswesen an sich unmöglich      
  14 sein, so kann dieses doch aus der allgemeinen Zufälligkeit und      
  15 Abhängigkeit alles dessen, was zur Sinnenwelt gehört, imgleichen aus dem      
  16 Princip, bei keinem einzigen Gliede derselben, so fern es zufällig ist, aufzuhören      
  17 und sich auf eine Ursache außer der Welt zu berufen, keinesweges      
  18 geschlossen werden. Die Vernunft geht ihren Gang im empirischen und      
  19 ihren besondern Gang im transscendentalen Gebrauche.      
           
  20 Die Sinnenwelt enthält nichts als Erscheinungen, diese aber sind      
  21 bloße Vorstellungen, die immer wiederum sinnlich bedingt sind; und da      
  22 wir hier niemals Dinge an sich selbst zu unseren Gegenständen haben, so      
  23 ist nicht zu verwundern, daß wir niemals berechtigt sind, von einem Gliede      
  24 der empirischen Reihen, welches es auch sei, einen Sprung außer dem Zusammenhange      
  25 der Sinnlichkeit zu thun, gleich als wenn es Dinge an sich      
  26 selbst wären, die außer ihrem transscendentalen Grunde existirten, und      
  27 die man verlassen könnte, um die Ursache ihres Daseins außer ihnen zu      
  28 suchen; welches bei zufälligen Dingen allerdings endlich Geschehen müßte,      
  29 aber nicht bei bloßen Vorstellungen von Dingen, deren Zufälligkeit      
  30 selbst nur Phänomen ist und auf keinen andern Regressus als denjenigen,      
  31 der die Phänomena bestimmt, d. i. der empirisch ist, führen kann. Sich      
  32 aber einen intelligibelen Grund der Erscheinungen, d. i. der Sinnenwelt,      
  33 und denselben befreit von der Zufälligkeit der letzteren denken, ist weder      
  34 dem uneingeschränkten empirischen Regressus in der Reihe der Erscheinungen,      
  35 noch der durchgängigen Zufälligkeit derselben entgegen. Das ist      
  36 aber auch das Einzige, was wir zu Hebung der scheinbaren Antinomie zu      
  37 leisten hatten, und was sich nur auf diese Weise thun ließ. Denn ist die      
           
     

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