Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 392

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Daß wir aber hernach diese Idee vom Inbegriffe aller Realität hypostasiren,      
  02 kommt daher: weil wir die distributive Einheit des Erfahrungsgebrauchs      
  03 des Verstandes in die collective Einheit eines Erfahrungsganzen      
  04 dialektisch verwandeln und an diesem Ganzen der Erscheinung uns      
  05 ein einzelnes Ding denken, was alle empirische Realität in sich enthält,      
  06 welches denn vermittelst der schon gedachten transscendentalen Subreption      
  07 mit dem Begriffe eines Dinges verwechselt wird, was an der Spitze der      
  08 Möglichkeit aller Dinge steht, zu deren durchgängiger Bestimmung es die      
  09 realen Bedingungen hergiebt.*)      
           
  10
Des dritten Hauptstücks
     
           
  11
Dritter Abschnitt.
     
  12
Von den Beweisgründen der speculativen Vernunft, auf das
     
  13
Dasein eines höchsten Wesens zu schließen.
     
           
  14 Ungeachtet dieses dringenden Bedürfnisses der Vernunft, etwas vorauszusetzen,      
  15 was dem Verstande zu der durchgängigen Bestimmung seiner      
  16 Begriffe vollständig zum Grunde liegen könne, so bemerkt sie doch das      
  17 Idealische und bloß Gedichtete einer solchen Voraussetzung viel zu leicht,      
  18 als daß sie dadurch allein überredet werden sollte, ein bloßes Selbstgeschöpf      
  19 ihres Denkens sofort für ein wirkliches Wesen anzunehmen, wenn      
  20 sie nicht wodurch anders gedrungen würde, irgendwo ihren Ruhestand in      
  21 dem Regressus vom Bedingten, das gegeben ist, zum Unbedingten zu suchen,      
  22 das zwar an sich und seinem bloßen Begriff nach nicht als wirklich gegeben      
  23 ist, welches aber allein die Reihe der zu ihren Gründen hinausgeführten      
  24 Bedingungen vollenden kann. Dieses ist nun der natürliche Gang, den      
  25 jede menschliche Vernunft, selbst die gemeinste, nimmt, obgleich nicht eine      
           
    *) Dieses Ideal des allerrealsten Wesens wird also, ob es zwar eine bloße Vorstellung ist, zuerst realisirt, d. i. zum Object gemacht, darauf hypostasirt, endlich durch einen natürlichen Fortschritt der Vernunft zur Vollendung der Einheit sogar personificirt, wie wir bald anführen werden; weil die regulative Einheit der Erfahrung nicht auf den Erscheinungen selbst (der Sinnlichkeit allein), sondern auf der Verknüpfung ihres Mannigfaltigen durch den Verstand (in einer Apperception) beruht, mithin die Einheit der höchsten Realität und die durchgängige Bestimmbarkeit (Möglichkeit) aller Dinge in einem höchsten Verstande, mithin in einer Intelligenz zu liegen scheint.      
           
     

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