Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 035

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 des Sinnes an dem Subjecte, was ihn genießt. Die Farben sind nicht      
  02 Beschaffenheiten der Körper, deren Anschauung sie anhängen, sondern      
  03 auch nur Modificationen des Sinnes des Gesichts, welches vom Lichte auf      
  04 gewisse Weise afficirt wird. Dagegen gehört der Raum, als Bedingung      
  05 äußerer Objecte, nothwendiger Weise zur Erscheinung oder Anschauung      
  06 derselben. Geschmack und Farben sind gar nicht nothwendige Bedingungen,      
  07 unter welchen die Gegenstände allein für uns Objecte der Sinne werden      
  08 können. Sie sind nur als zufällig beigefügte Wirkungen der besondern      
  09 Organisation mit der Erscheinung verbunden. Daher sind sie auch keine      
  10 Vorstellungen a priori, sondern auf Empfindung, der Wohlgeschmack aber      
  11 sogar auf Gefühl (der Lust und Unlust) als einer Wirkung der Empfindung      
  12 gegründet. Auch kann niemand a priori weder eine Vorstellung einer      
  13 Farbe, noch irgend eines Geschmacks haben: der Raum aber betrifft nur      
  14 die reine Form der Anschauung, schließt also gar keine Empfindung      
  15 (nichts Empirisches) in sich, und alle Arten und Bestimmungen des      
  16 Raumes können und müssen sogar a priori vorgestellt werden können,      
  17 wenn Begriffe der Gestalten sowohl, als Verhältnisse entstehen sollen.      
  18 Durch denselben ist es allein möglich, daß Dinge für uns äußere Gegenstände      
  19 sind.      
           
  20 Die Absicht dieser Anmerkung geht nur dahin, zu verhüten: daß man      
  21 die behauptete Idealität des Raumes nicht durch bei weitem unzulängliche      
  22 Beispiele zu erläutern sich einfallen lasse, da nämlich etwa Farben,      
  23 Geschmack etc. mit Recht nicht als Beschaffenheiten der Dinge, sondern      
  24 blos als Veränderungen unseres Subjects, die sogar bei verschiedenen      
  25 Menschen verschieden sein können, betrachtet werden. Denn in diesem      
  26 Falle gilt das, was ursprünglich selbst nur Erscheinung ist, z. B. eine      
  27 Rose, im empirischen Verstande für ein Ding an sich selbst, welches doch      
  28 jedem Auge in Ansehung der Farbe anders erscheinen kann. Dagegen ist      
  29 der transscendentale Begriff der Erscheinungen im Raume eine kritische      
  30 Erinnerung, daß überhaupt nichts, was im Raume angeschaut wird, eine      
  31 Sache an sich, noch daß der Raum eine Form der Dinge sei, die ihnen      
  32 etwa an sich selbst eigen wäre, sondern daß uns die Gegenstände an sich      
  33 gar nicht bekannt sind, und was wir äußere Gegenstände nennen, nichts      
  34 anders als bloße Vorstellungen unserer Sinnlichkeit sind, deren Form der      
  35 Raum ist, deren wahres Correlatum aber, d. i. das Ding an sich selbst,      
  36 dadurch gar nicht erkannt wird noch erkannt werden kann, nach welchem      
  37 aber auch in der Erfahrung niemals gefragt wird.      
           
           
     

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