Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 063

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 das hypothetische Urtheil ausmacht ( antecedens und consequens ), imgleichen      
  02 in deren Wechselwirkung das disjunctive besteht (Glieder der Eintheilung),      
  03 insgesammt nur problematisch. In dem obigen Beispiel wird      
  04 der Satz: es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, nicht assertorisch gesagt,      
  05 sondern nur als ein beliebiges Urtheil, wovon es möglich ist, daß      
  06 jemand es annehme, gedacht; und nur die Consequenz ist assertorisch. Daher      
  07 können solche Urtheile auch offenbar falsch sein und doch, problematisch      
  08 genommen, Bedingungen der Erkenntniß der Wahrheit sein. So ist das      
  09 Urtheil: die Welt ist durch blinden Zufall da, in dem disjunctiven      
  10 Urtheil nur von problematischer Bedeutung, nämlich daß jemand diesen      
  11 Satz etwa auf einen Augenblick annehmen möge, und dient doch (wie die      
  12 Verzeichnung des falschen Weges unter der Zahl aller derer, die man      
  13 nehmen kann), den wahren zu finden. Der problematische Satz ist also      
  14 derjenige, der nur logische Möglichkeit (die nicht objectiv ist) ausdrückt,      
  15 d. i. eine freie Wahl einen solchen Satz gelten zu lassen, eine blos willkürliche      
  16 Aufnehmung desselben in den Verstand. Der assertorische sagt von      
  17 logischer Wirklichkeit oder Wahrheit, wie etwa in einem hypothetischen      
  18 Vernunftschluß das Antecedens im Obersatze problematisch, im Untersatze      
  19 assertorisch vorkommt, und zeigt an, daß der Satz mit dem Verstande nach      
  20 dessen Gesetzen schon verbunden sei. Der apodiktische Satz denkt sich den      
  21 assertorischen durch diese Gesetze des Verstandes selbst bestimmt und daher      
  22 a priori behauptend und drückt auf solche Weise logische Nothwendigkeit      
  23 aus. Weil nun hier alles sich gradweise dem Verstande einverleibt,      
  24 so daß man zuvor etwas problematisch urtheilt, darauf auch wohl es assertorisch      
  25 als wahr annimmt, endlich als unzertrennlich mit dem Verstande      
  26 verbunden, d. i. als nothwendig und apodiktisch, behauptet, so kann man      
  27 diese drei Functionen der Modalität auch so viel Momente des Denkens      
  28 überhaupt nennen.      
           
  29
Des
     
  30
Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe
     
           
  31
Dritter Abschnitt.
     
  32
Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien.
     
           
  33 Die allgemeine Logik abstrahirt, wie mehrmals schon gesagt worden,      
  34 von allem Inhalt der Erkenntniß und erwartet, daß ihr anderwärts, woher      
           
     

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