Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 122

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Apperception bezieht sich auf den innern Sinn (den Inbegriff aller Vorstellungen)      
  02 und zwar a priori auf die Form desselben, d. i. das Verhältniß      
  03 des mannigfaltigen empirischen Bewußtseins in der Zeit. In der ursprünglichen      
  04 Apperception soll nun alle dieses Mannigfaltige seinen Zeitverhältnissen      
  05 nach vereinigt werden; denn dieses sagt die transscendentale      
  06 Einheit derselben a priori, unter welcher alles steht, was zu meinem (d. i.      
  07 meinem einigen) Erkenntnisse gehören soll, mithin ein Gegenstand für mich      
  08 werden kann. Diese synthetische Einheit in dem Zeitverhältnisse aller      
  09 Wahrnehmungen, welche a priori bestimmt ist, ist also das Gesetz: daß      
  10 alle empirische Zeitbestimmungen unter Regeln der allgemeinen Zeitbestimmung      
  11 stehen müssen, und die Analogien der Erfahrung, von denen      
  12 wir jetzt handeln wollen, müssen dergleichen Regeln sein.      
           
  13 Diese Grundsätze haben das Besondere an sich, daß sie nicht die Erscheinungen      
  14 und die Synthesis ihrer empirischen Anschauung, sondern      
  15 blos das Dasein und ihr Verhältniß unter einander in Ansehung dieses      
  16 ihres Daseins erwägen. Nun kann die Art, wie etwas in der Erscheinung      
  17 apprehendirt wird, a priori dergestalt bestimmt sein, daß die Regel ihrer      
  18 Synthesis zugleich diese Anschauung a priori in jedem vorliegenden empirischen      
  19 Beispiele geben, d. i. sie daraus zu Stande bringen kann. Allein      
  20 das Dasein der Erscheinungen kann a priori nicht erkannt werden, und ob      
  21 wir gleich auf diesem Wege dahin gelangen könnten, auf irgend ein Dasein      
  22 zu schließen, so würden wir dieses doch nicht bestimmt erkennen, d. i. das,      
  23 wodurch seine empirische Anschauung sich von andern unterschiede, anticipiren      
  24 können.      
           
  25 Die vorigen zwei Grundsätze, welche ich die mathematische nannte in      
  26 Betracht dessen, daß sie die Mathematik auf Erscheinungen anzuwenden      
  27 berechtigten, gingen auf Erscheinungen ihrer bloßen Möglichkeit nach und      
  28 lehrten, wie sie sowohl ihrer Anschauung, als dem Realen ihrer Wahrnehmung      
  29 nach nach Regeln einer mathematischen Synthesis erzeugt werden      
  30 könnten; daher sowohl bei der einen, als bei der andern die Zahlgrößen und      
  31 mit ihnen die Bestimmung der Erscheinung als Größe gebraucht werden      
  32 können. So werde ich z. B. den Grad der Empfindungen des Sonnenlichts      
  33 aus etwa 200 000 Erleuchtungen durch den Mond zusammensetzen      
  34 und a priori bestimmt geben, d. i. construiren können. Daher können wir      
  35 die erstere Grundsätze constitutive nennen.      
           
  36 Ganz anders muß es mit denen bewandt sein, die das Dasein der      
  37 Erscheinungen a priori unter Regeln bringen sollen. Denn da dieses sich      
           
     

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