Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 205

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 gedacht haben. Diese vollendete Größe des Umfanges in Beziehung auf      
  02 eine solche Bedingung heißt die Allgemeinheit ( Universalitas ). Dieser      
  03 entspricht in der Synthesis der Anschauungen die Allheit ( Universitas )      
  04 oder Totalität der Bedingungen. Also ist der transscendentale Vernunftbegriff      
  05 kein anderer, als der von der Totalität der Bedingungen zu      
  06 einem gegebenen Bedingten. Da nun das Unbedingte allein die Totalität      
  07 der Bedingungen möglich macht und umgekehrt die Totalität der Bedingungen      
  08 jederzeit selbst unbedingt ist: so kann ein reiner Vernunftbegriff      
  09 überhaupt durch den Begriff des Unbedingten, so fern er einen Grund      
  10 der Synthesis des Bedingten enthält, erklärt werden.      
           
  11 So viel Arten des Verhältnisses es nun giebt, die der Verstand vermittelst      
  12 der Kategorien sich vorstellt, so vielerlei reine Vernunftbegriffe      
  13 wird es auch geben, und es wird also erstlich ein Unbedingtes der      
  14 kategorischen Synthesis in einem Subject, zweitens der hypothetischen      
  15 Synthesis der Glieder einer Reihe, drittens der disjunctiven      
  16 Synthesis der Theile in einem System zu suchen sein.      
           
  17 Es giebt nämlich eben so viel Arten von Vernunftschlüssen, deren jede      
  18 durch Prosyllogismen zum Unbedingten fortschreitet: die eine zum Subject,      
  19 welches selbst nicht mehr Prädicat ist, die andre zur Voraussetzung,      
  20 die nichts weiter voraussetzt, und die dritte zu einem Aggregat der Glieder      
  21 der Eintheilung, zu welchen nichts weiter erforderlich ist, um die Eintheilung      
  22 eines Begriffs zu vollenden. Daher sind die reine Vernunftbegriffe      
  23 von der Totalität in der Synthesis der Bedingungen wenigstens als Aufgaben,      
  24 um die Einheit des Verstandes wo möglich bis zum Unbedingten      
  25 fortzusetzen, nothwendig und in der Natur der menschlichen Vernunft gegründet,      
  26 es mag auch übrigens diesen transscendentalen Begriffen an      
  27 einem ihnen angemessenen Gebrauch in concreto fehlen und sie mithin      
  28 keinen andern Nutzen haben, als den Verstand in die Richtung zu bringen,      
  29 darin sein Gebrauch, indem er aufs äußerste erweitert, zugleich mit sich      
  30 selbst durchgehend einstimmig gemacht wird.      
           
  31 Indem wir aber hier von der Totalität der Bedingungen und dem      
  32 Unbedingten als dem gemeinschaftlichen Titel aller Vernunftbegriffe reden,      
  33 so stoßen wir wiederum auf einen Ausdruck, den wir nicht entbehren und      
  34 gleichwohl nach einer ihm durch langen Mißbrauch anhängenden Zweideutigkeit      
  35 nicht sicher brauchen können. Das Wort absolut ist eines von      
  36 den wenigen Wörtern, die in ihrer uranfänglichen Bedeutung einem Begriffe      
  37 angemessen worden, welchem nach der Hand gar kein anderes Wort      
           
     

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