Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 440

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 eine gewisse Erhabenheit und Würde an derjenigen Person vorstellen,      
  02 die alle ihre Pflichten erfüllt. Denn so fern ist zwar keine Erhabenheit      
  03 an ihr, als sie dem moralischen Gesetze unterworfen ist, wohl aber so      
  04 fern sie in Ansehung eben desselben zugleich gesetzgebend und nur darum      
  05 ihm untergeordnet ist. Auch haben wir oben gezeigt, wie weder Furcht,      
  06 noch Neigung, sondern lediglich Achtung fürs Gesetz diejenige Triebfeder      
  07 sei, die der Handlung einen moralischen Werth geben kann. Unser eigener      
  08 Wille, so fern er nur unter der Bedingung einer durch seine Maximen      
  09 möglichen allgemeinen Gesetzgebung handeln würde, dieser uns mögliche      
  10 Wille in der Idee ist der eigentliche Gegenstand der Achtung, und die      
  11 Würde der Menschheit besteht eben in dieser Fähigkeit, allgemein gesetzgebend,      
  12 obgleich mit dem Beding, eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst      
  13 unterworfen zu sein.      
           
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Die Autonomie des Willens
     
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als oberstes Princip der Sittlichkeit.
     
           
  16 Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch      
  17 derselbe ihm selbst (unabhängig von aller Beschaffenheit der Gegenstände      
  18 des Wollens) ein Gesetz ist. Das Princip der Autonomie ist also: nicht      
  19 anders zu wählen als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben      
  20 Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit Begriffen seien. Daß diese      
  21 praktische Regel ein Imperativ sei, d. i. der Wille jedes vernünftigen      
  22 Wesens an sie als Bedingung nothwendig gebunden sei, kann durch bloße      
  23 Zergliederung der in ihm vorkommenden Begriffe nicht bewiesen werden,      
  24 weil es ein synthetischer Satz ist; man müßte über die Erkenntniß der      
  25 Objecte und zu einer Kritik des Subjects, d. i. der reinen praktischen Vernunft,      
  26 hinausgehen, denn völlig a priori muß dieser synthetische Satz, der      
  27 apodiktisch gebietet, erkannt werden können, dieses Geschäft aber gehört      
  28 nicht in gegenwärtigen Abschnitt. Allein daß gedachtes Princip der Autonomie      
  29 das alleinige Princip der Moral sei, läßt sich durch bloße Zergliederung      
  30 der Begriffe der Sittlichkeit gar wohl darthun. Denn dadurch      
  31 findet sich, daß ihr Princip ein kategorischer Imperativ sein müsse, dieser      
  32 aber nichts mehr oder weniger als gerade diese Autonomie gebiete.      
           
           
     

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