Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 555

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 (ihrer Veränderung nach) enthält, ist nichts von diesen Bestimmungen enthalten;      
  02 wenn aber das Bewegliche als ein solches, nämlich seiner Bewegung nach, bestimmt      
  03 gedacht werden soll, d. i. zum Behuf einer möglichen Erfahrung, ist es      
  04 nöthig die Bedingungen anzuzeigen, unter welchen der Gegenstand (die Materie)      
  05 auf eine oder andere Art durch das Prädicat der Bewegung bestimmt werden müsse.      
  06 Hier ist nicht die Rede von Verwandlung des Scheins in Wahrheit, sondern der      
  07 Erscheinung in Erfahrung; denn beim Scheine ist der Verstand mit seinen einen      
  08 Gegenstand bestimmenden Urtheilen jederzeit im Spiele, obzwar er in Gefahr ist      
  09 das subjective für objectiv zu nehmen; in der Erscheinung aber ist gar kein Urtheil      
  10 des Verstandes anzutreffen; welches nicht blos hier, sondern in der ganzen Philosophie      
  11 anzumerken nöthig ist, weil man sonst, wenn von Erscheinungen die Rede ist,      
  12 und man nimmt diesen Ausdruck für einerlei der Bedeutung nach mit dem des      
  13 Scheins, jederzeit übel verstanden wird.      
           
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Lehrsatz 1.
     
           
  15 Die geradlinichte Bewegung einer Materie in Ansehung      
  16 eines empirischen Raumes ist zum Unterschiede von der entgegengesetzten      
  17 Bewegung des Raums ein blos mögliches Prädicat.      
  18 Eben dasselbe in gar keiner Relation auf eine Materie außer ihr,      
  19 d. i. als absolute Bewegung gedacht, ist unmöglich.      
           
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Beweis.
     
           
  21 Ob ein Körper im relativen Raume bewegt, dieser aber ruhig genannt      
  22 werde, oder umgekehrt dieser in entgegengesetzter Richtung gleich      
  23 geschwinde bewegt, dagegen jener ruhig genannt werden solle, ist kein      
  24 Streit über das, was dem Gegenstande, sondern nur seinem Verhältnisse      
  25 zum Subject, mithin der Erscheinung und nicht der Erfahrung zukommt.      
  26 Denn stellt sich der Zuschauer in demselben Raume als ruhig, so heißt      
  27 ihm der Körper bewegt; stellt er sich (wenigstens in Gedanken) in einem      
  28 andern und jenen umfassenden Raum, in Ansehung dessen der Körper      
  29 gleichfalls ruhig ist, so heißt jener relative Raum bewegt. Also ist in der      
  30 Erfahrung (einer Erkenntniß, die das Object für alle Erscheinungen gültig      
  31 bestimmt) gar kein Unterschied zwischen der Bewegung des Körpers      
  32 im relativen Raume, oder der Ruhe des Körpers im absoluten und der      
  33 entgegengesetzten gleichen Bewegung des relativen Raums. Nun ist die      
           
     

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