Kant: AA V, Kritik der praktischen ... , Seite 113

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 werden könne (daß etwa der, so seine Glückseligkeit sucht, in diesem seinem      
  02 Verhalten sich durch bloße Auflösung seiner Begriffe tugendhaft, oder der,      
  03 so der Tugend folgt, sich im Bewußtsein eines solchen Verhaltens schon      
  04 ipso facto glücklich finden werde), sondern eine Synthesis der Begriffe      
  05 sei. Weil aber diese Verbindung als a priori, mithin praktisch nothwendig,      
  06 folglich nicht als aus der Erfahrung abgeleitet erkannt wird, und die Möglichkeit      
  07 des höchsten Guts also auf keinen empirischen Principien beruht,      
  08 so wird die Deduction dieses Begriffs transscendental sein müssen.      
  09 Es ist a priori (moralisch) nothwendig, das höchste Gut durch Freiheit      
  10 des Willens hervorzubringen; es muß also auch die Bedingung      
  11 der Möglichkeit desselben lediglich auf Erkenntnißgründen a priori      
  12 beruhen.      
           
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I

     
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Die Antinomie der praktischen Vernunft.

     
           
  15 In dem höchsten für uns praktischen, d. i. durch unsern Willen wirklich      
  16 zu machenden, Gute werden Tugend und Glückseligkeit als nothwendig      
  17 verbunden gedacht, so daß das eine durch reine praktische Vernunft nicht      
  18 angenommen werden kann, ohne daß das andere auch zu ihm gehöre.      
  19 Nun ist diese Verbindung (wie eine jede überhaupt) entweder analytisch,      
  20 oder synthetisch. Da diese gegebene aber nicht analytisch sein kann, wie      
  21 nur eben vorher gezeigt worden, so muß sie synthetisch und zwar als Verknüpfung      
  22 der Ursache mit der Wirkung gedacht werden: weil sie ein praktisches      
  23 Gut, d. i. was durch Handlung möglich ist, betrifft. Es muß also      
  24 entweder die Begierde nach Glückseligkeit die Bewegursache zu Maximen      
  25 der Tugend, oder die Maxime der Tugend muß die wirkende Ursache der      
  26 Glückseligkeit sein. Das erste ist schlechterdings unmöglich: weil (wie      
  27 in der Analytik bewiesen worden) Maximen, die den Bestimmungsgrund      
  28 des Willens in dem Verlangen nach seiner Glückseligkeit setzen, gar nicht      
  29 moralisch sind und keine Tugend gründen können. Das zweite ist aber      
  30 auch unmöglich, weil alle praktische Verknüpfung der Ursachen und der      
  31 Wirkungen in der Welt als Erfolg der Willensbestimmung sich nicht nach      
  32 moralischen Gesinnungen des Willens, sondern der Kenntniß der Naturgesetze      
  33 und dem physischen Vermögen, sie zu seinen Absichten zu gebrauchen,      
  34 richtet, folglich keine nothwendige und zum höchsten Gut zureichende Verknüpfung      
  35 der Glückseligkeit mit der Tugend in der Welt durch die pünktlichste      
           
     

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