Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 180

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 auch Gesetze sein müssen, die zwar als empirische nach unserer Verstandeseinsicht      
  02 zufällig sein mögen, die aber doch, wenn sie Gesetze heißen      
  03 sollen (wie es auch der Begriff einer Natur erfordert), aus einem, wenn      
  04 gleich uns unbekannten, Princip der Einheit des Mannigfaltigen als      
  05 nothwendig angesehen werden müssen. - Die reflectirende Urtheilskraft,      
  06 die von dem Besondern in der Natur zum Allgemeinen aufzusteigen die      
  07 Obliegenheit hat, bedarf also eines Princips, welches sie nicht von der      
  08 Erfahrung entlehnen kann, weil es eben die Einheit aller empirischen      
  09 Principien unter gleichfalls empirischen, aber höheren Principien und      
  10 also die Möglichkeit der systematischen Unterordnung derselben unter einander      
  11 begründen soll. Ein solches transscendentales Princip kann also      
  12 die reflectirende Urtheilskraft sich nur selbst als Gesetz geben, nicht anderwärts      
  13 hernehmen (weil sie sonst bestimmende Urtheilskraft sein würde),      
  14 noch der Natur vorschreiben: weil die Reflexion über die Gesetze der Natur      
  15 sich nach der Natur und diese sich nicht nach den Bedingungen richtet,      
  16 nach welchen wir einen in Ansehung dieser ganz zufälligen Begriff von      
  17 ihr zu erwerben trachten.      
           
  18 Nun kann dieses Princip kein anderes sein als: daß, da allgemeine      
  19 Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der Natur      
  20 (obzwar nur nach dem allgemeinen Begriffe von ihr als Natur) vorschreibt,      
  21 die besondern empirischen Gesetze in Ansehung dessen, was in      
  22 ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet      
  23 werden müssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenn gleich nicht      
  24 der unsrige) sie zum Behuf unserer Erkenntnißvermögen, um ein System      
  25 der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen möglich zu machen, gegeben      
  26 hätte. Nicht als wenn auf diese Art wirklich ein solcher Verstand angenommen      
  27 werden müßte (denn es ist nur die reflectirende Urtheilskraft,      
  28 der diese Idee zum Princip dient, zum Reflectiren, nicht zum Bestimmen);      
  29 sondern dieses Vermögen giebt sich dadurch nur selbst und nicht der Natur      
  30 ein Gesetz.      
           
  31 Weil nun der Begriff von einem Object, sofern er zugleich den Grund      
  32 der Wirklichkeit dieses Objects enthält, der Zweck und die Übereinstimmung      
  33 eines Dinges mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach      
  34 Zwecken möglich ist, die Zweckmäßigkeit der Form desselben heißt: so      
  35 ist das Princip der Urtheilskraft in Ansehung der Form der Dinge der      
  36 Natur unter empirischen Gesetzen überhaupt die Zweckmäßigkeit der      
  37 Natur in ihrer Mannigfaltigkeit. D. i. die Natur wird durch diesen Begriff      
           
     

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