Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 185

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 (Objecte) a priori nichts bestimmen kann, so muß er doch, um      
  02 diesen empirischen sogenannten Gesetzen nachuugehen, ein Princip a priori,      
  03 daß nämlich nach ihnen eine erkennbare Ordnung der Natur möglich sei,      
  04 aller Reflexion über dieselbe zum Grunde legen, dergleichen Princip      
  05 nachfolgende Sätze ausdrücken: daß es in ihr eine für uns faßliche      
  06 Unterordnung von Gattungen und Arten gebe; daß jene sich einander      
  07 wiederum nach einem gemeinschaftlichen Princip nähern, damit ein      
  08 Übergang von einer zu der anderen und dadurch zu einer höheren Gattung      
  09 möglich sei; daß, da für die specifische Verschiedenheit der Naturwirkungen      
  10 eben so viel verschiedene Arten der Causalität annehmen zu      
  11 müssen unserem Verstande anfänglich unvermeidlich scheint, sie dennoch      
  12 unter einer geringen Zahl von Principien stehen mögen, mit deren Aufsuchung      
  13 wir uns zu beschäftigen haben, u. s. w. Diese Zusammenstimmung      
  14 der Natur zu unserem Erkenntnißvermögen wird von der Urtheilskraft      
  15 zum Behuf ihrer Reflexion über dieselbe nach ihren empirischen Gesetzen      
  16 a priori vorausgesetzt, indem sie der Verstand zugleich objectiv als      
  17 zufällig anerkennt, und bloß die Urtheilskraft sie der Natur als transscendentale      
  18 Zweckmäßigkeit (in Beziehung auf das Erkenntnißvermögen      
  19 des Subjects) beilegt: weil wir, ohne diese vorauszusetzen, keine Ordnung      
  20 der Natur nach empirischen Gesetzen, mithin keinen Leitfaden für      
  21 eine mit diesen nach aller ihrer Mannigfaltigkeit anzustellende Erfahrung      
  22 und Nachforschung derselben haben würden.      
           
  23 Denn es läßt sich wohl denken: daß ungeachtet aller der Gleichförmigkeit      
  24 der Naturdinge nach den allgemeinen Gesetzen, ohne welche      
  25 die Form eines Erfahrungserkenntnisses überhaupt gar nicht statt finden      
  26 würde, die specifische Verschiedenheit der empirischen Gesetze der Natur      
  27 sammt ihren Wirkungen dennoch so groß sein könnte, daß es für unseren      
  28 Verstand unmöglich wäre, in ihr eine faßliche Ordnung zu entdecken,      
  29 ihre Producte in Gattungen und Arten einzutheilen, um die Principien      
  30 der Erklärung und des Verständnisses des einen auch zur Erklärung und      
  31 Begreifung des andern zu gebrauchen und aus einem für uns so verworrenen      
  32 (eigentlich nur unendlich mannigfaltigen, unserer Fassungskraft      
  33 nicht angemessenen) Stoffe eine zusammenhängende Erfahrung zu      
  34 machen.      
           
  35 Die Urtheilskraft hat also auch ein Princip a priori für die Möglichkeit      
  36 der Natur, aber nur in subjectiver Rücksicht in sich, wodurch sie,      
  37 nicht der Natur (als Autonomie), sondern ihr selbst (als Heautonomie)      
           
     

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