Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 207

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 angenehm erkläre, ein Interesse an demselben ausdrücke, ist daraus schon      
  02 klar, daß es durch Empfindung eine Begierde nach dergleichen Gegenstande      
  03 rege macht, mithin das Wohlgefallen nicht das bloße Urtheil über ihn,      
  04 sondern die Beziehung seiner Existenz auf meinen Zustand, sofern er durch      
  05 ein solches Object afficirt wird, voraussetzt. Daher man von dem Angenehmen      
  06 nicht blos sagt: es gefällt, sondern: es vergnügt. Es ist nicht      
  07 ein bloßer Beifall, den ich ihm widme, sondern Neigung wird dadurch erzeugt;      
  08 und zu dem, was auf die lebhafteste Art angenehm ist, gehört so      
  09 gar kein Urtheil über die Beschaffenheit des Objects, daß diejenigen, welche      
  10 immer nur auf das Genießen ausgehen (denn das ist das Wort, womit      
  11 man das Innige des Vergnügens bezeichnet), sich gerne alles Urtheilens      
  12 überheben.      
           
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§ 4.

     
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Das Wohlgefallen am Guten ist mit Interesse verbunden.

     
           
  15 Gut ist das, was vermittelst der Vernunft durch den bloßen Begriff      
  16 gefällt. Wir nennen einiges wozu gut (das Nützliche), was nur als      
  17 Mittel gefällt; ein anderes aber an sich gut, was für sich selbst gefällt.      
  18 In beiden ist immer der Begriff eines Zwecks, mithin das Verhältniß der      
  19 Vernunft zum (wenigstens möglichen) Wollen, folglich ein Wohlgefallen      
  20 am Dasein eines Objects oder einer Handlung, d. i. irgend ein Interesse,      
  21 enthalten.      
           
  22 Um etwas gut zu finden, muß ich jederzeit wissen, was der Gegenstand      
  23 für ein Ding sein solle, d. i. einen Begriff von demselben haben.      
  24 Um Schönheit woran zu finden, habe ich das nicht nöthig. Blumen,      
  25 freie Zeichnungen, ohne Absicht in einander geschlungene Züge, unter dem      
  26 Namen des Laubwerks, bedeuten nichts, hängen von keinem bestimmten      
  27 Begriffe ab und gefallen doch. Das Wohlgefallen am Schönen muß von      
  28 der Reflexion über einen Gegenstand, die zu irgend einem Begriffe (unbestimmt      
  29 welchem) führt, abhängen und unterscheidet sich dadurch auch vom      
  30 Angenehmen, welches ganz auf der Empfindung beruht.      
           
  31 Zwar scheint das Angenehme mit dem Guten in vielen Fällen einerlei      
  32 zu sein. So wird man gemeiniglich sagen: alles (vornehmlich dauerhafte)      
  33 Vergnügen ist an sich selbst gut; welches ungefähr so viel heißt, als:      
  34 dauerhaft=angenehm oder gut sein, ist einerlei. Allein man kann bald      
  35 bemerken, daß dieses blos eine fehlerhafte Wortvertauschung sei, da die      
  36 Begriffe, welche diesen Ausdrücken eigenthümlich anhängen, keineswegs      
           
     

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