Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 366

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gestalten, als auch wohl der Zahlen wegen einer gewissen aus der      
  02 Einfachheit ihrer Construction nicht erwarteten Zweckmäßigkeit derselben      
  03 a priori zu allerlei Erkenntnißgebrauch Schönheit zu nennen; und spricht      
  04 z. B. von dieser oder jener schönen Eigenschaft des Cirkels, welche auf      
  05 diese oder jene Art entdeckt wäre. Allein es ist keine ästhetische Beurtheilung,      
  06 durch die wir sie zweckmäßig finden; keine Beurtheilung ohne      
  07 Begriff, die eine bloße subjective Zweckmäßigkeit im freien Spiele      
  08 unserer Erkenntnißvermögen bemerklich machte: sondern eine intellectuelle      
  09 nach Begriffen, welche eine objective Zweckmäßigkeit, d. i. Tauglichkeit zu      
  10 allerlei (ins Unendliche mannigfaltigen) Zwecken, deutlich zu erkennen      
  11 giebt. Man müßte sie eher eine relative Vollkommenheit, als eine      
  12 Schönheit der mathematischen Figur nennen. Die Benennung einer      
  13 intellectuellen Schönheit kann auch überhaupt nicht füglich erlaubt      
  14 werden: weil sonst das Wort Schönheit alle bestimmte Bedeutung, oder      
  15 das intellectuelle Wohlgefallen allen Vorzug vor dem sinnlichen verlieren      
  16 müßte. Eher würde man eine Demonstration solcher Eigenschaften,      
  17 weil durch diese der Verstand als Vermögen der Begriffe und die Einbildungskraft      
  18 als Vermögen der Darstellung derselben a priori sich gestärkt      
  19 fühlen (welches mit der Präcision, die die Vernunft hineinbringt,      
  20 zusammen die Eleganz derselben genannt wird), schön nennen können: indem      
  21 hier doch wenigstens das Wohlgefallen, obgleich der Grund desselben      
  22 in Begriffen liegt, subjectiv ist, da die Vollkommenheit ein objectives      
  23 Wohlgefallen bei sich führt.      
           
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§ 63.

     
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Von der relativen Zweckmäßigkeit der Natur zum Unterschiede

     
  26

von der innern.

     
           
  27 Die Erfahrung leitet unsere Urtheilskraft auf den Begriff einer objectiven      
  28 und materialen Zweckmäßigkeit, d. i. auf den Begriff eines Zwecks      
  29 der Natur nur alsdann, wenn ein Verhältniß der Ursache zur Wirkung      
  30 zu beurtheilen ist*), welches wir als gesetzlich einzusehen uns nur dadurch      
           
    *)Weil in der reinen Mathematik nicht von der Existenz, sondern nur der Möglichkeit der Dinge, nämlich einer ihrem Begriffe correspondirenden Anschauung, mithin gar nicht von Ursache und Wirkung die Rede sein kann: so muß folglich alle daselbst angemerkte Zweckmäßigkeit bloß als formal, niemals als Naturzweck betrachtet werden.      
           
     

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