Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 387

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 können den Anschein haben, mithin sich eine Dialektik hervorthut, welche      
  02 die Urtheilskraft in dem Princip ihrer Reflexion irre macht.      
           
  03 Die erste Maxime derselben ist der Satz: alle Erzeugung materieller      
  04 Dinge und ihrer Formen muß als nach bloß mechanischen Gesetzen      
  05 möglich beurtheilt werden.      
           
  06 Die zweite Maxime ist der Gegensatz: einige Producte der      
  07 materiellen Natur können nicht als nach bloß mechanischen Gesetzen möglich      
  08 beurtheilt werden (ihre Beurtheilung erfordert ein ganz anderes Gesetz      
  09 der Causalität, nämlich das der Endursachen).      
  10 Wenn man diese regulativen Grundsätze für die Nachforschung nun      
  11 in constitutive der Möglichkeit der Objecte selbst verwandelte, so würden      
  12 sie so lauten:      
           
  13 Satz: Alle Erzeugung materieller Dinge ist nach bloß mechanischen      
  14 Gesetzen möglich.      
           
  15 Gegensatz: Einige Erzeugung derselben ist nach bloß mechanischen      
  16 Gesetzen nicht möglich.      
           
  17 In dieser letzteren Qualität, als objective Principien für die bestimmende      
  18 Urtheilskraft, würden sie einander widersprechen, mithin einer      
  19 von beiden Sätzen nothwendig falsch sein; aber das wäre alsdann zwar      
  20 eine Antinomie, doch nicht der Urtheilskraft, sondern ein Widerstreit in      
  21 der Gesetzgebung der Vernunft. Die Vernunft kann aber weder den einen      
  22 noch den andern dieser Grundsätze beweisen: weil wir von Möglichkeit der      
  23 Dinge nach bloß empirischen Gesetzen der Natur kein bestimmendes      
  24 Princip a priori haben können.      
           
  25 Was dagegen die zuerst vorgetragene Maxime einer reflectirenden      
  26 Urtheilskraft betrifft, so enthält sie in der That gar keinen Widerspruch.      
  27 Denn wenn ich sage: ich muß alle Ereignisse in der materiellen Natur,      
  28 mithin auch alle Formen als Producte derselben ihrer Möglichkeit nach      
  29 nach bloß mechanischen Gesetzen beurtheilen, so sage ich damit nicht:      
  30 sie sind darnach allein (ausschließungsweise von jeder andern Art      
  31 Causalität) möglich; sondern das will nur anzeigen: ich soll jederzeit      
  32 über dieselben nach dem Princip des bloßen Mechanisms der Natur      
  33 reflectiren und mithin diesem, soweit ich kann, nachforschen, weil, ohne      
  34 ihn zum Grunde der Nachforschung zu legen, es gar keine eigentliche      
  35 Naturerkenntniß geben kann. Dieses hindert nun die zweite Maxime bei      
  36 gelegentlicher Veranlassung nicht, nämlich bei einigen Naturformen (und      
  37 auf deren Veranlassung sogar der ganzen Natur), nach einem Princip zu      
           
     

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