Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 396

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Nun ist der Begriff von einem Dinge als Naturzwecke ein Begriff,      
  02 der die Natur unter eine Causalität, die nur durch Vernunft denkbar ist,      
  03 subsumirt, um nach diesem Princip über das, was vom Objecte in der      
  04 Erfahrung gegeben ist, zu urtheilen. Um ihn aber dogmatisch für die bestimmende      
  05 Urtheilskraft zu gebrauchen, müßten wir der objectiven Realität      
  06 dieses Begriffs zuvor versichert sein, weil wir sonst kein Naturding      
  07 unter ihm subsumiren könnten. Der Begriff eines Dinges als Naturzwecks      
  08 ist aber zwar ein empirisch bedingter, d. i. nur unter gewissen in      
  09 der Erfahrung gegebenen Bedingungen möglicher, aber doch von derselben      
  10 nicht zu abstrahirender, sondern nur nach einem Vernunftprincip      
  11 in der Beurtheilung des Gegenstandes möglicher Begriff. Er kann also      
  12 als ein solches Princip seiner objectiven Realität nach (d. i. daß ihm gemäß      
  13 ein Object möglich sei) gar nicht eingesehen und dogmatisch begründet      
  14 werden; und wir wissen nicht, ob er bloß ein vernünftelnder und objectiv      
  15 leerer ( conceptus ratiocinans ), oder ein Vernunftbegriff, ein Erkenntniß      
  16 gründender, von der Vernunft bestätigter ( conceptus ratiocinatus ), sei.      
  17 Also kann er nicht dogmatisch für die bestimmende Urtheilskraft behandelt      
  18 werden: d. i. es kann nicht allein nicht ausgemacht werden, ob Dinge der      
  19 Natur, als Naturzwecke betrachtet, für ihre Erzeugung eine Causalität      
  20 von ganz besonderer Art (die nach Absichten) erfordern, oder nicht; sondern      
  21 es kann auch nicht einmal darnach gefragt werden, weil der Begriff eines      
  22 Naturzwecks seiner objectiven Realität nach durch die Vernunft gar nicht      
  23 erweislich ist (d. i. er ist nicht für die bestimmende Urtheilskraft constitutiv,      
  24 sondern für die reflectirende bloß regulativ).      
           
  25 Daß er es aber nicht sei, ist daraus klar, weil er als Begriff von      
  26 einem Naturproduct Naturnothwendigkeit und doch zugleich eine Zufälligkeit      
  27 der Form des Objects (in Beziehung auf bloße Gesetze der Natur)      
  28 an eben demselben Dinge als Zweck in sich faßt; folglich, wenn hierin      
  29 kein Widerspruch sein soll, einen Grund für die Möglichkeit des Dinges      
  30 in der Natur und doch auch einen Grund der Möglichkeit dieser Natur      
  31 selbst und ihrer Beziehung auf etwas, das nicht empirisch erkennbare      
  32 Natur (übersinnlich), mithin für uns gar nicht erkennbar ist, enthalten      
  33 muß, um nach einer andern Art Causalität als der des Naturmechanisms      
  34 beurtheilt zu werden, wenn man seine Möglichkeit ausmachen will. Da      
  35 also der Begriff eines Dinges als Naturzwecks für die bestimmende      
  36 Urtheilskraft überschwenglich ist, wenn man das Object durch die Vernunft      
  37 betrachtet (ob er zwar für die reflectirende Urtheilskraft in Ansehung      
           
     

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