Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 440

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Frage vom ersten Grunde der Zweckmäßigkeit der Natur auflösete, als sie      
  02 vielmehr für nichtig erklärte, indem der letztere Begriff, aller seiner Realität      
  03 beraubt, zur bloßen Mißdeutung eines allgemeinen ontologischen Begriffs      
  04 von einem Dinge überhaupt gemacht wurde.      
           
  05 Nach bloß theoretischen Principien des Vernunftgebrauchs (worauf      
  06 die Physikotheologie sich allein gründet) kann also niemals der Begriff      
  07 einer Gottheit, der für unsere teleologische Beurtheilung der Natur zureichte,      
  08 herausgebracht werden. Denn wir erklären entweder alle Teleologie      
  09 für bloße Täuschung der Urtheilskraft in der Beurteilung der Causalverbindung      
  10 der Dinge und flüchten uns zu dem alleinigen Princip      
  11 eines bloßen Mechanisms der Natur, welche wegen der Einheit der Substanz,      
  12 von der sie nichts als das Mannigfaltige der Bestimmungen derselben      
  13 sei, uns eine allgemeine Beziehung auf Zwecke zu enthalten bloß      
  14 scheine; oder wenn wir statt dieses Idealisms der Endursachen dem Grundsatze      
  15 des Realisms dieser besondern Art der Causalität anhänglich bleiben      
  16 wollen, so mögen wir viele verständige Urwesen, oder nur ein einiges den      
  17 Naturzwecken unterlegen: sobald wir zu Begründung des Begriffs von      
  18 demselben nichts als Erfahrungsprincipien, von der wirklichen Zweckverbindung      
  19 in der Welt hergenommen, zur Hand haben, so können wir einerseits      
  20 wider die Mißhelligkeit, die die Natur in Ansehung der Zweckeinheit      
  21 in vielen Beispielen aufstellt, keinen Rath finden, andrerseits den Begriff      
  22 einer einigen intelligenten Ursache, so wie wir ihn, durch bloße Erfahrung      
  23 berechtigt, herausbringen, niemals für irgend eine, auf welche Art es auch      
  24 sei, (theoretisch oder praktisch) brauchbare Theologie bestimmt genug daraus      
  25 ziehen.      
           
  26 Die physische Teleologie treibt uns zwar an, eine Theologie zu suchen,      
  27 aber kann keine hervorbringen, so weit wir auch der Natur durch Erfahrung      
  28 nachspüren und der in ihr entdeckten Zweckverbindung durch Vernunftideen      
  29 (die zu physischen Aufgaben theoretisch sein müssen) zu Hülfe      
  30 kommen mögen. Was hilfts, wird man mit Recht klagen, daß wir allen      
  31 diesen Einrichtungen einen großen, einen für uns unermeßlichen Verstand      
  32 zum Grunde legen und ihn diese Welt nach Absichten anordnen lassen?      
  33 Wenn uns die Natur von der Endabsicht nichts sagt, noch jemals sagen      
  34 kann, ohne welche wir uns doch keinen gemeinschaftlichen Beziehungspunkt      
  35 aller dieser Naturzwecke, kein hinreichendes teleologisches Princip machen      
  36 können, theils die Zwecke insgesammt in einem System zu erkennen, theils      
  37 uns von dem obersten Verstande, als Ursache einer solchen Natur, einen      
           
     

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