Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 177

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Princip desselben sein müsse. Aber das höchste Wesen kann doch      
  02 auch vielleicht noch überdem auf eine Art gedient sein wollen, die uns      
  03 durch bloße Vernunft nicht bekannt werden kann, nämlich durch Handlungen,      
  04 denen für sich selbst wir zwar nichts Moralisches ansehen, die aber      
  05 doch entweder als von ihm geboten, oder auch nur, um unsere Unterwürfigkeit      
  06 gegen ihn zu bezeugen, willkürlich von uns unternommen werden;      
  07 in welchen beiden Verfahrungsarten, wenn sie ein Ganzes systematisch      
  08 geordneter Beschäftigungen ausmachen, sie also überhaupt einen Dienst      
  09 Gottes setzen. - Wenn nun beide verbunden sein sollen, so wird entweder      
  10 jede als unmittelbar, oder eine von beiden nur als Mittel zu der andern,      
  11 als dem eigentlichen Dienste Gottes, für die Art angenommen werden      
  12 müssen, Gott wohl zu gefallen. Daß der moralische Dienst Gottes ( officium      
  13 liberum ) ihm unmittelbar gefalle, leuchtet von selbst ein. Er kann      
  14 aber nicht für die oberste Bedingung alles Wohlgefallens am Menschen      
  15 anerkannt werden (welches auch schon im Begriff der Moralität liegt),      
  16 wenn der Lohndienst ( officium mercennarium ) als für sich allein Gott      
  17 wohlgefällig betrachtet werden könnte; denn alsdann würde Niemand      
  18 wissen, welcher Dienst in einem vorkommenden Falle vorzüglicher wäre,      
  19 um das Urtheil über seine Pflicht darnach einzurichten, oder wie sie sich einander      
  20 ergänzten. Also werden Handlungen, die an sich keinen moralischen      
  21 Werth haben, nur so fern sie als Mittel zur Beförderung dessen, was an      
  22 Handlungen unmittelbar gut ist, (zur Moralität) dienen, d. i. um des      
  23 moralischen Dienstes Gottes willen, als ihm wohlgefällig angenommen      
  24 werden müssen.      
           
  25 Der Mensch nun, welcher Handlungen, die für sich selbst nichts Gott      
  26 Wohlgefälliges (Moralisches) enthalten, doch als Mittel braucht, das      
  27 göttliche unmittelbare Wohlgefallen an ihm und hiemit die Erfüllung seiner      
  28 Wünsche zu erwerben, steht in dem Wahn des Besitzes einer Kunst,      
  29 durch ganz natürliche Mittel eine übernatürliche Wirkung zuwege zu bringen;      
  30 dergleichen Versuche man das Zaubern zu nennen pflegt, welches      
  31 Wort wir aber (da es den Nebenbegriff einer Gemeinschaft mit dem bösen      
  32 Princip bei sich führt, dagegen jene Versuche doch auch als übrigens in      
  33 guter moralischer Absicht aus Mißverstande unternommen gedacht werden      
  34 können) gegen das sonst bekannte Wort des Fetischmachens austauschen      
  35 wollen. Eine übernatürliche Wirkung aber eines Menschen würde diejenige      
  36 sein, die nur dadurch in seinen Gedanken möglich ist, daß er vermeintlich      
  37 auf Gott wirkt und sich desselben als Mittels bedient, um eine      
           
     

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