Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 185

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 nichts Großes und Gutes unternimmt, sondern alles vom Wünschen erwartet,      
  02 versetzen muß. - Es kommt in dem, was die moralische Gesinnung      
  03 betrifft, alles auf den obersten Begriff an, dem man seine Pflichten      
  04 unterordnet. Wenn die Verehrung Gottes das Erste ist, der man also      
  05 die Tugend unterordnet, so ist dieser Gegenstand ein Idol, d. i. er wird      
  06 als ein Wesen gedacht, dem wir nicht durch sittliches Wohlverhalten in      
  07 der Welt, sondern durch Anbetung und Einschmeichelung zu gefallen hoffen      
  08 dürften; die Religion aber ist alsdann Idololatrie. Gottseligkeit ist      
  09 also nicht ein Surrogat der Tugend, um sie zu entbehren, sondern die      
  10 Vollendung derselben, um mit der Hoffnung der endlichen Gelingung aller      
  11 unserer guten Zwecke bekrönt werden zu können.      
           
  12

§ 4.

     
  13

Vom Leitfaden des Gewissens in Glaubenssachen.

     
           
  14 Es ist hier nicht die Frage: wie das Gewissen geleitet werden solle      
  15 (denn das will keinen Leiter: es ist genug eines zu haben); sondern wie      
  16 dieses selbst zum Leitfaden in den bedenklichsten moralischen Entschließungen      
  17 dienen könne.      
           
  18 Das Gewissen ist ein Bewußtsein, das für sich selbst Pflicht      
  19 ist. Wie ist es aber möglich, sich ein solches zu denken, da das Bewußtsein      
  20 aller unserer Vorstellungen nur in logischer Absicht, mithin bloß bedingter      
  21 Weise, wenn wir unsere Vorstellung klar machen wollen, nothwendig      
  22 zu sein scheint, mithin nicht unbedingt Pflicht sein kann?      
           
  23 Es ist ein moralischer Grundsatz, der keines Beweises bedarf: man      
  24 soll nichts auf die Gefahr wagen, daß es unrecht sei ( quod dubitas,      
  25 ne feceris! Plin.). Das Bewußtsein also, daß eine Handlung, die ich      
           
     

[ Seite 184 ] [ Seite 186 ] [ Inhaltsverzeichnis ]