Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 214

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu sein. Dieses ist      
  02 aber nicht anders möglich, als durch die Unterwerfung der Maxime einer      
  03 jeden Handlung unter die Bedingung der Tauglichkeit der erstern zum allgemeinen      
  04 Gesetze. Denn als reine Vernunft, auf die Willkür unangesehen      
  05 dieser ihres Objects angewandt, kann sie als Vermögen der Principien      
  06 (und hier praktischer Principien, mithin als gesetzgebendes Vermögen),      
  07 da ihr die Materie des Gesetzes abgeht, nichts mehr als die Form der      
  08 Tauglichkeit der Maxime der Willkür zum allgemeinen Gesetze selbst zum      
  09 obersten Gesetze und Bestimmungsgrunde der Willkür machen und, da die      
  10 Maximen des Menschen aus subjectiven Ursachen mit jenen objectiven nicht      
  11 von selbst übereinstimmen, dieses Gesetz nur schlechthin als Imperativ des      
  12 Verbots oder Gebots vorschreiben.      
           
  13 Diese Gesetze der Freiheit heißen zum Unterschiede von Naturgesetzen      
  14 moralisch. So fern sie nur auf bloße äußere Handlungen und deren Gesetzmäßigkeit      
  15 gehen, heißen sie juridisch; fordern sie aber auch, daß sie      
  16 (die Gesetze) selbst die Bestimmungsgründe der Handlungen sein sollen,      
  17 so sind sie ethisch, und alsdann sagt man: die Übereinstimmung mit den      
  18 ersteren ist die Legalität, die mit den zweiten die Moralität der Handlung.      
  19 Die Freiheit, auf die sich die erstern Gesetze beziehen, kann nur      
  20 die Freiheit im äußeren Gebrauche, diejenige aber, auf die sich die letztere      
  21 beziehen, die Freiheit sowohl im äußern als innern Gebrauche der Willkür      
  22 sein, sofern sie durch Vernunftgesetze bestimmt wird. So sagt man in der      
  23 theoretischen Philosophie: im Raume sind nur die Gegenstände äußerer      
  24 Sinne, in der Zeit aber alle, sowohl die Gegenstände äußerer als des      
  25 inneren Sinnes: weil die Vorstellungen beider doch Vorstellungen sind      
  26 und sofern insgesammt zum inneren Sinne gehören. Eben so, mag die      
  27 Freiheit im äußeren oder inneren Gebrauche der Willkür betrachtet werden,      
  28 so müssen doch ihre Gesetze, als reine praktische Vernunftgesetze für die      
  29 freie Willkür überhaupt, zugleich innere Bestimmungsgründe derselben      
  30 sein: obgleich sie nicht immer in dieser Beziehung betrachtet werden      
           
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II

     
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Von der Idee und der Nothwendigkeit einer Metaphysik der

     
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Sitten.

     
           
  34 Daß man für die Naturwissenschaft, welche es mit den Gegenständen      
  35 äußerer Sinne zu thun hat, Principien a priori haben müsse, und daß es      
           
     

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