Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 258

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01

Zweites Hauptstück.

     
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Von der Art etwas Äußeres zu erwerben.

     
           
  03
§ 10.
     
  04
Allgemeines Princip der äußeren Erwerbung.
     
           
  05 Ich erwerbe etwas, wenn ich mache ( efficio ), daß etwas mein werde.      
  06 - Ursprünglich mein ist dasjenige Äußere, was auch ohne einen rechtlichen      
  07 Act mein ist. Eine Erwerbung aber ist ursprünglich diejenige,      
  08 welche nicht von dem Seinen eines Anderen abgeleitet ist.      
           
  09 Nichts Äußeres ist ursprünglich mein; wohl aber kann es ursprünglich,      
  10 d. i. ohne es von dem Seinen irgend eines Anderen abzuleiten, erworben      
  11 sein. - Der Zustand der Gemeinschaft des Mein und Dein      
  12 ( communio ) kann nie als ursprünglich gedacht, sondern muß (durch einen      
  13 äußeren rechtlichen Act) erworben werden; obwohl der Besitz eines      
  14 äußeren Gegenstandes ursprünglich nur gemeinsam sein kann. Auch      
  15 wenn man sich (problematisch) eine ursprüngliche Gemeinschaft ( communio      
  16 mei et tui originaria ) denkt: so muß sie doch von der uranfänglichen      
  17 ( communio primaeva ) unterschieden werden, welche als in der      
  18 ersten Zeit der Rechtsverhältnisse unter Menschen gestiftet angenommen      
  19 wird und nicht wie die erstere auf Principien, sondern nur auf Geschichte      
  20 gegründet werden kann: wobei die letztere doch immer als erworben und      
  21 abgeleitet ( communio derivativa ) gedacht werden müßte.      
           
  22 Das Princip der äußeren Erwerbung ist nun: Was ich (nach dem      
  23 Gesetz der äußeren Freiheit) in meine Gewalt bringe, und wovon als      
  24 Object meiner Willkür Gebrauch zu machen ich (nach dem Postulat der      
  25 praktischen Vernunft) das Vermögen habe: endlich, was ich (gemäß der      
  26 Idee eines möglichen vereinigten Willens) will, es solle mein sein, das      
  27 ist mein.      
           
  28 Die Momente ( attendenda ) der ursprünglichen Erwerbung sind      
  29 also: 1. Die Apprehension eines Gegenstandes, der Keinem angehört,      
  30 widrigenfalls sie der Freiheit Anderer nach allgemeinen Gesetzen widerstreiten      
  31 würde. Diese Apprehension ist die Besitznehmung des Gegenstandes      
  32 der Willkür im Raum und der Zeit; der Besitz also, in den ich      
  33 mich setze, ist ( possessio phaenomenon ). 2. Die Bezeichnung ( declaratio )      
  34 des Besitzes dieses Gegenstandes und des Acts meiner Willkür      
           
     

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