Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 276

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 anders zum Besitz gelangen, als dadurch daß ich einen besonderen      
  02 rechtlichen, nämlich einen Besitzact ( actum possessorium ) ausübe,      
  03 der einen besonderen Vertrag ausmacht, und dieser ist: daß ich sage,      
  04 ich werde die Sache (das Pferd) abholen lassen, wozu der Verkäufer      
  05 einwilligt. Denn daß dieser eine Sache zum Gebrauche eines Anderen      
  06 auf eigene Gefahr in seine Gewahrsame nehmen werde, versteht      
  07 sich nicht von selbst, sondern dazu gehört ein besonderer Vertrag,      
  08 nach welchem der Veräußerer seiner Sache innerhalb der bestimmten      
  09 Zeit noch immer Eigenthümer bleibt (und alle Gefahr, die die      
  10 Sache treffen möchte, tragen muß), der Erwerbende aber nur dann,      
  11 wenn er über diese Zeit zögert, von dem Verkäufer dafür angesehen      
  12 werden kann, als sei sie ihm überliefert. Vor diesem Besitzact ist      
  13 also alles durch den Vertrag Erworbene nur ein persönliches Recht,      
  14 und der Promissar kann eine äußere Sache nur durch Tradition      
  15 erwerben.      
           
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Dritter Abschnitt.

     
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Von dem auf dingliche Art persönlichen Recht.

     
           
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§ 22.
     
           
  19 Dieses Recht ist das des Besitzes eines äußeren Gegenstandes als      
  20 einer Sache und des Gebrauchs desselben als einer Person. - Das      
  21 Mein und Dein nach diesem Recht ist das häusliche, und das Verhältni      
  22 in diesem Zustande ist das der Gemeinschaft freier Wesen, die durch      
  23 den wechselseitigen Einfluß (der Person des einen auf das andere) nach      
  24 dem Princip der äußeren Freiheit (Causalität) eine Gesellschaft von      
  25 Gliedern eines Ganzen (in Gemeinschaft stehender Personen) ausmachen,      
  26 welches das Hauswesen heißt. - Die Erwerbungsart dieses      
  27 Zustandes und in demselben geschieht weder durch eigenmächtige That      
  28 ( facto ), noch durch bloßen Vertrag ( pacto ), sondern durchs Gesetz ( lege ),      
  29 welches, weil es kein Recht in einer Sache, auch nicht ein bloßes Recht      
  30 gegen eine Person, sondern auch ein Besitz derselben zugleich ist, ein über      
  31 alles Sachen= und persönliche hinaus liegendes Recht, nämlich das Recht      
  32 der Menschheit in unserer eigenen Person sein muß, welches ein natürliches      
  33 Erlaubnißgesetz zur Folge hat, durch dessen Gunst uns eine solche      
  34 Erwerbung möglich ist.      
           
           
     

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