Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 338

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 1) Der Unterthan (auch als Bürger betrachtet) hat das Recht der      
  02 Auswanderung; denn der Staat könnte ihn nicht als sein Eigenthum      
  03 zurückhalten. Doch kann er nur seine fahrende, nicht die liegende Habe      
  04 mit herausnehmen, welches alsdann doch geschehen würde, wenn er seinen      
  05 bisher besessenen Boden zu verkaufen und das Geld dafür mit sich zu      
  06 nehmen befugt wäre.      
           
  07 2) Der Landesherr hat das Recht der Begünstigung der Einwanderung      
  08 und Ansiedelung Fremder (Colonisten), obgleich seine Landeskinder      
  09 dazu scheel sehen möchten; wenn ihnen nur nicht das Privateigenthum      
  10 derselben am Boden gekürzt wird.      
           
  11 3) Ebenderselbe hat auch im Falle eines Verbrechens des Unterthans,      
  12 welches alle Gemeinschaft der Mitbürger mit ihm für den Staat verderblich      
  13 macht, das Recht der Verbannung in eine Provinz im Auslande,      
  14 wo er keiner Rechte eines Bürgers theilhaftig wird, d. i. zur Deportation.      
           
  16 4) Auch das der Landesverweisung überhaupt ( ius exilii ), ihn      
  17 in die weite Welt, d. i. ins Ausland überhaupt (in der altdeutschen Sprache      
  18 Elend genannt), zu schicken; welches, weil der Landesherr ihm nun allen      
  19 Schutz entzieht, so viel bedeutet, als ihn innerhalb seinen Grenzen vogelfrei      
  20 zu machen.      
           
  21
§ 51.
     
           
  22 Die drei Gewalten im Staat, die aus dem Begriff eines gemeinen      
  23 Wesens überhaupt ( res publica latius dicta ) hervorgehen, sind nur so      
  24 viel Verhältnisse des vereinigten, a priori aus der Vernunft abstammenden      
  25 Volkswillens und eine reine Idee von einem Staatsoberhaupt, welche      
  26 objective praktische Realität hat. Dieses Oberhaupt (der Souverän) aber      
  27 ist so fern nur ein (das gesammte Volk vorstellendes) Gedankending,      
  28 als es noch an einer physischen Person mangelt, welche die höchste Staatsgewalt      
  29 vorstellt und dieser Idee Wirksamkeit auf den Volkswillen verschafft.      
  30 Das Verhältniß der ersteren zum letzteren ist nun auf dreierlei      
  31 verschiedene Art denkbar: entweder daß Einer im Staate über alle, oder      
  32 daß Einige, die einander gleich sind, vereinigt, über alle andere, oder      
  33 daß Alle zusammen über einen jeden, mithin auch über sich selbst gebieten,      
  34 d. i. die Staatsform ist entweder autokratisch, oder aristokratisch,      
  35 oder demokratisch. (Der Ausdruck monarchisch statt autokratisch      
  36 ist nicht dem Begriffe, den man hier will, angemessen; denn      
           
     

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