Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 024

   
         
 

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  01 müssen: weil dieses sich darauf als eine Sache der Gelehrsamkeit    
  02 doch gar nicht versteht und hiedurch nur in vorwitzige Grübeleien und    
  03 Zweifel verwickelt werden würde; da man hingegen hierin weit sicherer    
  04 auf das Zutrauen rechnen kann, was das Volk in seine Lehrer setzt.    
  05 Den Sprüchen der Schrift einen mit dem Ausdruck nicht genau zusammentreffenden,    
  06 sondern etwa moralischen Sinn unterzulegen, kann er auch    
  07 nicht befugt sein, und da es keinen von Gott autorisirten menschlichen    
  08 Schriftausleger giebt, muß der biblische Theolog eher auf übernatürliche    
  09 Eröffnung des Verständnisses durch einen in alle Wahrheit leitenden Geist    
  10 rechnen, als zugeben, daß die Vernunft sich darin menge und ihre (aller    
  11 höheren Autorität ermangelnde) Auslegung geltend mache.- Endlich    
  12 was die Vollziehung der göttlichen Gebote an unserem Willen betrifft, so    
  13 muß der biblische Theolog ja nicht auf die Natur, d.i. das eigne moralische    
  14 Vermögen des Menschen (die Tugend), sondern auf die Gnade (eine    
  15 übernatürliche, dennoch zugleich moralische Einwirkung) rechnen, deren    
  16 aber der Mensch auch nicht anders, als vermittelst eines inniglich das    
  17 Herz umwandelnden Glaubens theilhaftig werden, diesen Glauben selbst    
  18 aber doch wiederum von der Gnade erwarten kann.- Bemengt der biblische    
  19 Theolog sich in Ansehung irgend eines dieser Sätze mit der Vernunft,    
  20 gesetzt daß diese auch mit der größten Aufrichtigkeit und dem größten    
  21 Ernst auf dasselbe Ziel hinstrebte, so überspringt er (wie der Bruder    
  22 des Romulus) die Mauer des allein seligmachenden Kirchenglaubens und    
  23 verläuft sich in das offene, freie Feld der eigenen Beurtheilung und Philosophie,    
  24 wo er, der geistlichen Regierung entlaufen, allen Gefahren der    
  25 Anarchie ausgesetzt ist.- Man muß aber wohl merken, daß ich hier vom    
  26 reinen ( purus, putus ) biblischen Theologen Rede, der von dem verschriebenen    
  27 Freiheitsgeist der Vernunft und Philosophie noch nicht angesteckt ist.    
  28 Denn so bald wir zwei Geschäfte von verschiedener Art vermengen und in    
  29 einander laufen lassen, können wir uns von der Eigenthümlichkeit jedes    
  30 einzelnen derselben keinen bestimmten Begriff machen.    
         
  31

B.

   
  32

Eigenthümlichkeit der Juristenfacultät.

   
         
  33 Der schriftgelehrte Jurist sucht die Gesetze der Sicherung des Mein    
  34 und Dein (wenn er, wie er soll, als Beamter der Regierung verfährt)    
  35 nicht in seiner Vernunft, sondern im öffentlich gegebenen und höchsten    
         
     

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