Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 131

   
         
 

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  01 andeutende Ausdrücke, nämlich den des Er und des Sie (gleich als wenn    
  02 es gar keine Anrede, sondern Erzählung von Abwesenden und zwar entweder    
  03 Einem oder Mehreren wäre), erfunden haben; worauf endlich zu    
  04 Vollendung aller Ungereimtheiten der vorgeblichen Demüthigung unter    
  05 dem Angeredeten und Erhebung des Anderen über sich statt der Person    
  06 das Abstractum der Qualität des Standes des Angeredeten (Ew. Gnaden    
  07 Hochgeb., Hoch= und Wohledl. u.d.g.) in Gebrauch gekommen. - Alles    
  08 vermuthlich durch das Feudalwesen, nach welchem dafür gesorgt wurde,    
  09 daß von der königlichen Würde an durch alle Abstufungen bis dahin, wo    
  10 die Menschenwürde gar aufhört, und blos der Mensch bleibt, d. i. bis zu    
  11 dem Stande des Leibeigenen, der allein von seinem Oberen durch Du angeredet    
  12 werden, oder eines Kindes, was noch nicht einen eigenen Willen    
  13 haben darf, - der Grad der Achtung, der dem Vornehmeren gebührt,    
  14 ja nicht verfehlt würde.    
         
  15

Von dem willkürlichen Bewußtsein seiner Vorstellungen.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 063) ]    
         
  16 § 3. Das Bestreben sich seiner Vorstellungen bewußt zu werden ist    
  17 entweder das Aufmerken ( attentio ), oder das Absehen von einer Vorstellung,    
  18 deren ich mir bewußt bin ( abstractio ). - Das letztere ist nicht    
  19 etwa bloße Unterlassung und Verabsäumung des ersteren (denn das wäre    
  20 Zerstreuung ( distractio ), sondern ein wirklicher Act des Erkenntnißvermögens,    
  21 eine Vorstellung, deren ich mir bewußt bin, von der Verbindung    
  22 mit anderen in Einem Bewußtsein abzuhalten. - Man sagt daher nicht,    
  23 etwas abstrahiren (absondern), sondern von etwas, d. i. einer Bestimmung    
  24 des Gegenstandes meiner Vorstellung, abstrahiren, wodurch diese    
  25 die Allgemeinheit eines Begriffs erhält und so in den Verstand aufgenommen    
  26 wird.    
  27 Von einer Vorstellung abstrahiren zu können, selbst wenn sie sich dem    
  28 Menschen durch den Sinn aufdringt, ist ein weit größeres Vermögen, als    
  29 das zu attendiren: weil es eine Freiheit des Denkungsvermögens und die    
  30 Eigenmacht des Gemüths beweist, den Zustand seiner Vorstellungen    
  31 in seiner Gewalt zu haben ( animus sui compos ). - In dieser Rücksicht    
  32 ist nun das Abstractionsvermögen viel schwerer, aber auch wichtiger    
  33 als das der Attention, wenn es Vorstellungen der Sinne betrifft.    
  34 Viele Menschen sind unglücklich, weil sie nicht abstrahiren können.    
  35 Der Freier könnte eine gute Heurath machen, wenn er nur über eine Warze    
         
     

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