Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 140

   
         
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

Verknüpfungen:

 

 

 
  01 (dem Schulwitz) umzusehen und seinen Beschluß darnach abzufassen, als    
  02 wenn man es auf den Ausschlag der im Dunkeln des Gemüths liegenden    
  03 Bestimmungsgründe des Urtheils in Masse ankommen läßt, welches man    
  04 den logischen Tact nennen könnte: wo die Überlegung den Gegenstand    
  05 sich auf vielerlei Seiten vorstellig macht und ein richtiges Resultat herausbringt,    
  06 ohne sich der Acte, die hiebei im inneren des Gemüths vorgehen,    
  07 bewußt zu werden.    
         
  08 Der gesunde Verstand aber kann diese seine Vorzüglichkeit nur    
  09 in Ansehung eines Gegenstandes der Erfahrung beweisen: nicht allein    
  10 durch diese an Erkenntniß zu wachsen, sondern sie (die Erfahrung) selbst    
  11 zu erweitern, aber nicht in speculativer, sondern blos in empirisch=praktischer    
  12 Rücksicht. Denn in jener bedarf es wissenschaftlicher Principien a priori;    
  13 in dieser aber können es auch Erfahrungen, d. i. Urtheile sein, die durch    
  14 Versuch und Erfolg continuirlich bewährt werden.    
         
  15

Von der Sinnlichkeit im Gegensatz mit dem Verstande.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 077) ]    
         
  16 § 7. In Ansehung des Zustandes der Vorstellungen ist mein Gemüth    
  17 entweder handelnd und zeigt Vermögen ( facultas ), oder es ist leidend    
  18 und besteht in Empfänglichkeit ( receptivitas ). Ein Erkenntniß enthält    
  19 beides verbunden in sich, und die Möglichkeit eine solche zu haben    
  20 führt den Namen des Erkenntnißvermögens von dem vornehmsten    
  21 Theil derselben, nämlich der Thätigkeit des Gemüths Vorstellungen zu    
  22 verbinden, oder von einander zu sondern.    
         
  23 Vorstellungen, in Ansehung deren sich das Gemüth leidend verhält,    
  24 durch welche also das Subject afficirt wird (dieses mag sich nun selbst    
  25 afficiren oder von einem Object afficirt werden), gehören zum sinnlichen;    
  26 diejenigen aber, welche ein bloßes Thun (das Denken) enthalten, zum    
  27 intellectuellen Erkenntnißvermögen. Jenes wird auch das untere,    
  28 dieses aber das obere Erkenntnißvermögen genannt.*) Jenes hat den    
         
    *)Die Sinnlichkeit blos in der Undeutlichkeit der Vorstellungen, die Intellectualität dagegen in der Deutlichkeit zu setzen und hiemit einen blos formalen (logischen) Unterschied des Bewußtseins statt des realen (psychologischen), der nicht blos die Form, sondern auch den Inhalt des Denkens betrifft, zu setzen, war ein großer Fehler der Leibniz=Wolffischen Schule, nämlich die Sinnlichkeit blos in einem Mangel (der Klarheit der Theilvorstellungen), folglich der Undeutlichkeit zu setzen, die Beschaffenheit aber der Verstandesvorstellung in der Deutlichkeit; da    
         
     

[ Seite 139 ] [ Seite 141 ] [ Inhaltsverzeichnis ]