Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 264

   
         
 

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  01 obgleich man weiß, daß keine da ist - bringt diese Empfindung hervor,    
  02 die, wenn sie bloße Anwandlung, nicht Ausbruch des Schrecks ist, eben    
  03 nicht unangenehm zu sein scheint.    
         
  04 Der Schwindel und selbst die Seekrankheit scheint ihrer Ursache    
  05 nach in die Classe solcher idealen Gefahren zu gehören. - Auf einem    
  06 Bret, was auf der Erde liegt, kann man ohne Wanken fortschreiten; liegt    
  07 es aber über einen Abgrund, oder für den, der nervenschwach ist, auch nur    
  08 über einen Graben: so wird oft die Leere Besorgniß der Gefahr wirklich    
  09 gefährlich. Das Schwanken eines Schiffs selbst bei gelindem Winde ist ein    
  10 wechselndes Sinken und Gehobenwerden. Bei dem Sinken ist die Bestrebung    
  11 der Natur sich zu heben (weil alles Sinken überhaupt Vorstellung    
  12 von Gefahr bei sich führt), mithin die Bewegung des Magens und der    
  13 Eingeweide von unten nach oben zu mit einem Anreiz zum Erbrechen    
  14 mechanisch verbunden, welcher alsdann noch vergrößert wird, wenn der    
  15 Patient in der Kajüte zum Fenster derselben hinausschaut und wechselsweise    
  16 bald den Himmel bald die See in die Augen bekommt, wodurch die    
  17 Täuschung eines unter ihm weichenden Sitzes noch mehr gehoben wird.    
  18 Ein Acteur, der selbst kalt ist, übrigens aber nur Verstand und starkes    
  19 Vermögen der Einbildungskraft besitzt, kann durch einen affectirten    
  20 (gekünstelten) Affect oft mehr rühren als durch den wahren. Ein ernstlich    
  21 Verliebter ist in der Gegenwart seiner Geliebten verlegen, ungeschickt und    
  22 wenig einnehmend. Einer aber, der blos den Verliebten macht und    
  23 sonst Talent hat, kann seine Rolle so natürlich spielen, daß er die arme    
  24 betrogene ganz in seine Schlingen bringt; gerade darum weil sein Herz    
  25 unbefangen, sein Kopf klar und er also im ganzen Besitz des freien Gebrauchs    
  26 seiner Geschicklichkeit und Kräfte ist, den Schein des Liebenden    
  27 sehr natürlich nachzumachen.    
         
  28 Das gutmüthige (offenherzige) Lachen ist (als zum Affect der Fröhlichkeit    
  29 gehörend) gesellig, das hämische (Grinsen) feindselig. Der Zerstreuete    
  30 (wie Terrasson mit der Nachtmütze statt der Perrücke auf dem    
  31 Kopf und dem Hute unter dem Arm, voll von dem Streit über den Vorzug    
  32 der Alten und der Neuen in Ansehung der Wissenschaften, gravitätisch    
  33 einhertretend) giebt oft zum ersteren Anlaß; er wird belacht, darum aber    
  34 doch nicht ausgelacht. Der nicht unverständige Sonderling wird belächelt,    
  35 ohne daß es ihm was kostet; er lacht mit. - Ein mechanischer    
  36 (geistloser) Lacher ist schal und macht die Gesellschaft schmacklos. Der    
  37 darin gar nicht lacht, ist entweder grämlich oder pedantisch. Kinder, vornehmlich    
         
     

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